KAREL HOLAN
»STILLEBEN c 1929
TSCHECHISCHE KÜNSTLER
Seit dem kräftigen Vorstoß, den die Malerei
und die Skulptur bei den Tschechen in den
Vor- und Nachkriegsjahren genommen hatte,
hat man sie bei uns in Deutschland etwas aus
den Augen verloren. Wohl zeigten auf den
internationalen Ausstellungen reichhaltige Kol-
lektionen, daß die Bewegung, vor allem in Prag,
von tüchtigen Künstlern vorwärtsgetrieben wird,
aber vom eigentlichen Nachwuchs sah man,
außer einzelnen Veröffentlichungen in den Zeit-
schriften, wenig.
Gerade aber in diesem Nachwuchs scheinen
sich heute neue Kräfte zu bilden. Zunächst
zeigt sich der Überschau eine Spaltung. Eine
kleine Gruppe junger Künstler trägt die Impulse
der entscheidenden Jahre um 1920 weiter,
wandelt sie in moderne Prägung ab und ver-
flicht sie vielfältig mit den modernen Strömun-
gen in Frankreich und — seltener — auch in
Deutschland. Eine andere Gruppe leitet zu
einem sehr substanzhaften Naturalismus zurück,
wie er diesem Volk im Blut liegt. Daß bei die-
ser letzteren Gruppe einige Reaktion mit am
Werke ist, darf hier nicht verschwiegen werden.
Unsere heutige Auswahl greift einige Er-
scheinungen aus der Gesamtbewegung heraus,
bemüht sich dabei, den Anschluß der Jungen
an die ältere Generation darzutun. . Von den
Älteren zeigen wir Alfred Justitz.
Justitz stieß sehr früh zu geistvollsten For-
mulierungen der neuen Formensprache durch,
und seine reiche Begabung erlaubte ihm deren
freien und stets interessanten Vortrag. Berliner
und Pariser Jahre trieben den Maler vielleicht
allzu unbesorgt umher: nicht daß es ihm an
aufrichtigem Fleiß gefehlt hätte. Ganz und gar-
nicht. Seine Zeichnung war ihm immer wieder
strengste Schulung und Selbstbefragung. Aber
seine beschwingte Begabung verschenkte sich
fast hemmungslos und nahm ebenso hemmungs-
los auch auf. Aber die Fremde hatte keinen
Gegenwert an Teilnahme, die den stützen-
den, zusammenzwingenden Erfolg hätte geben
müssen. So war Justitz bei seiner Rückkehr
XXXIII. Juni 1930. 2
»STILLEBEN c 1929
TSCHECHISCHE KÜNSTLER
Seit dem kräftigen Vorstoß, den die Malerei
und die Skulptur bei den Tschechen in den
Vor- und Nachkriegsjahren genommen hatte,
hat man sie bei uns in Deutschland etwas aus
den Augen verloren. Wohl zeigten auf den
internationalen Ausstellungen reichhaltige Kol-
lektionen, daß die Bewegung, vor allem in Prag,
von tüchtigen Künstlern vorwärtsgetrieben wird,
aber vom eigentlichen Nachwuchs sah man,
außer einzelnen Veröffentlichungen in den Zeit-
schriften, wenig.
Gerade aber in diesem Nachwuchs scheinen
sich heute neue Kräfte zu bilden. Zunächst
zeigt sich der Überschau eine Spaltung. Eine
kleine Gruppe junger Künstler trägt die Impulse
der entscheidenden Jahre um 1920 weiter,
wandelt sie in moderne Prägung ab und ver-
flicht sie vielfältig mit den modernen Strömun-
gen in Frankreich und — seltener — auch in
Deutschland. Eine andere Gruppe leitet zu
einem sehr substanzhaften Naturalismus zurück,
wie er diesem Volk im Blut liegt. Daß bei die-
ser letzteren Gruppe einige Reaktion mit am
Werke ist, darf hier nicht verschwiegen werden.
Unsere heutige Auswahl greift einige Er-
scheinungen aus der Gesamtbewegung heraus,
bemüht sich dabei, den Anschluß der Jungen
an die ältere Generation darzutun. . Von den
Älteren zeigen wir Alfred Justitz.
Justitz stieß sehr früh zu geistvollsten For-
mulierungen der neuen Formensprache durch,
und seine reiche Begabung erlaubte ihm deren
freien und stets interessanten Vortrag. Berliner
und Pariser Jahre trieben den Maler vielleicht
allzu unbesorgt umher: nicht daß es ihm an
aufrichtigem Fleiß gefehlt hätte. Ganz und gar-
nicht. Seine Zeichnung war ihm immer wieder
strengste Schulung und Selbstbefragung. Aber
seine beschwingte Begabung verschenkte sich
fast hemmungslos und nahm ebenso hemmungs-
los auch auf. Aber die Fremde hatte keinen
Gegenwert an Teilnahme, die den stützen-
den, zusammenzwingenden Erfolg hätte geben
müssen. So war Justitz bei seiner Rückkehr
XXXIII. Juni 1930. 2