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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 66.1930

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Heilmaier, Hans: Die deutsche Werkbund-Ausstellung in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.9256#0401

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MARCEL GUILLEMARD—PARIS

»AUS EINER HOTEL-HALLE«

DIE DEUTSCHE WERKBUND-AUSSTELLUNG IN PARIS

Seit der 1925 im Rahmen des Salons des Ar-
tistes Decorateurs abgehaltenen internatio-
nalen Schau waren keine ausländischen Grup-
pen mehr eingeladen worden. Um so gespann-
ter sah man der diesjährigen Sonderschau des
deutschen Werkbundes entgegen, die von zwei
Gesichtspunkten aus betrachtet werden konnte.
Hat die deutsche Raumkunst seit dem als be-
deutsameZäsur geltenden Ausstellungsjahr 1925
eine Wendung gemacht und wie? Was fördert
ein Vergleich zwischen den Gästen und den
französischen Teilnehmern des Salons an Ge-
meinsamem und Unterschiedlichem zutage?

Das Echo, welches die deutsche Sektion bei
der hiesigen Tagespresse fand, war insofern
überraschend, als selbst sonst in Kunstdingen
grundsätzlich konservativ eingestellte Zeitungen
(an ihrer Spitze der „Temps") des Lobes voll
waren und bei den von der Kritik angestellten
Vergleichen das Urteil einwandfrei zugunsten
der deutschen Abteilung ausfiel. Herr Prof.
Gropius, der sich um das Gelingen und die Ge-
samtorganisation der Ausstellung sehr verdient
gemacht, hatte in klarer Erkenntnis des zu er-
reichenden Zwecks jede Eigenbrötelei streng
vermieden. Seine mit der Einzelsaal-Organi-

sation beauftragten Mitarbeiter H. Bayer, M.
Breuer, Moholy-Nagy und die sonstig Beteiligten
ordneten sich strikt den Grundgedanken unter.

Mochte der Gesamteindruck der deutschen
Abteilung auf den Besucher etwas kalt und
nüchtern wirken, der kollektive Gestaltungs-
wille trat in scharfem Relief hervor. Man
sah, wie hier Kunst als Funktion werktätigen
Lebens Sinn und Geltung hatte, daß man von
künstlerischer und industrieller Seite her zu-
sammenzugreifen verstehe und die Forderungen
nach Tauglichkeit, Billigkeit und Schönheit
recht wohl unter eine Haube gebracht werden
können. Was man zeigen wollte, war die auf
keiner falschen Originalität beruhende Mitarbeit
des Einzelnen an einem Werke, das Architekt,
Ingenieur, Handwerker, Techniker und Fabri-
kanten, kurzum alle angeht. Innenraum- und
Baukunst stehen ebenso im Zeichen der Stan-
dardfabrikation wie ein Großteil der Hausrat-
industrie. Zweckdienliche Form, Material-
eignung, Raumausnützung, niedrigste Herstel-
lungs- und Verkaufspreise sind elementare
Forderungen der Zeit. Eigenschönheit der Dinge
spricht am reinsten da, wo Form, Material und
Farbe in glücklicher Bindung zusammengehen.

XXXni. September 1»S0. 7
 
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