Der Maler Conbinc
othon couhine— paris
»winterlandschaft« 1929
vor den Augen klarer Vernunft Tragödien und
Leidenschaften und der zuckende Weltball wird
zur wohlgeordneten, dramalosen besten der
Welten, deren Idylle sanft eine milde Sonne
bescheint. Nicht Unzulänglichkeit des Malers,
sondern Ausdruck seines Naturells ist also diese
Farbgebung. Starke Töne , setzt sie Coubine,
hie und da — glücklicherweise höchst selten —
klingen auch merkwürdig schrill.
Daß Kunst, die aus solcher Geistigkeit stammt,
nicht populär ist, braucht keiner weiteren Aus-
führung. Daß insbesondere Malerei, da sie durch
das sinnliche Element der Farbe wirkt, als In-
terpretin solch abgeklärten Weltempfindens oft
Gefahrläuft, monoton und süßlich zu erscheinen,
ist evident. Doch ebenso sicher ist es, daß dem
Ideal der Klarheit und Harmonie, dem Coubine,
ureigensten Antrieb folgend, in Zeiten einer
beispiellosen Verpöbelung der Kunst, auf ein-
samen Wegen nachging, nun, nach vielen kraft-
meierischen Exzessen, die Sehnsucht unserer
Generation entgegenschlägt und bestimmt zählt
dieser edle, grundehrliche, ernste Künstler zu
den wenigen Gerechten, die im Sodom unserer
Übergangsepoche leben und es zu überleben
vielleicht berufen sind...... dr. a. gottlieb.
KUNST UND SEELE. Was der Dichter nicht
leben kann, das geht in sein Werk, sagte
vorzeiten Rilke. Er meinte damit: Im Kunst-
werk wird das nicht gelebte Leben aufge-
fangen ; denn die Kräfte, die in faktisches Leben
übergehen, in die Tat, in das Abenteuer, in die
Liebe, — die sind für die Kunst verloren. Ganz
ähnlich ist es gedacht, wenn ein heutiger Autor
sagt: „Seele" ist leerlaufendes Leben, „Seele"
tritt immer da auf, wo die zugehörige Wirklich-
keit nicht den ganzen Menschen ergreift und
bindet. In dieser Anschauung, die die Kunst
und die „Seele" gleichsam zu Lückenbüßern
einer mangelnden Lebensrealität macht, liegt
ein doppelter Irrtum. Irrig ist die Vorstellung,
als könne sich der Mensch jemals in einer
„Wirklichkeit", in lauter „gelebtem Leben"
ohne Rest erfüllen; das heißt ihn auf eine Stufe
mit dem Element, mit dem animalischen Leben
stellen, was der Wahrheit hoffnungslos zuwider-
läuft. Und zweitens kommt die Kunst wie die
Seele aus Fülle des Lebens, nicht aus Armut.
Es gibt heute Versuche, seelenlos zu leben,
seelenlose Kunst zu machen. Liegt da erfüllte
gesunde Menschlichkeit vor oder nicht vielmehr
trostlose Armut und Verkümmerung? w. m.
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othon couhine— paris
»winterlandschaft« 1929
vor den Augen klarer Vernunft Tragödien und
Leidenschaften und der zuckende Weltball wird
zur wohlgeordneten, dramalosen besten der
Welten, deren Idylle sanft eine milde Sonne
bescheint. Nicht Unzulänglichkeit des Malers,
sondern Ausdruck seines Naturells ist also diese
Farbgebung. Starke Töne , setzt sie Coubine,
hie und da — glücklicherweise höchst selten —
klingen auch merkwürdig schrill.
Daß Kunst, die aus solcher Geistigkeit stammt,
nicht populär ist, braucht keiner weiteren Aus-
führung. Daß insbesondere Malerei, da sie durch
das sinnliche Element der Farbe wirkt, als In-
terpretin solch abgeklärten Weltempfindens oft
Gefahrläuft, monoton und süßlich zu erscheinen,
ist evident. Doch ebenso sicher ist es, daß dem
Ideal der Klarheit und Harmonie, dem Coubine,
ureigensten Antrieb folgend, in Zeiten einer
beispiellosen Verpöbelung der Kunst, auf ein-
samen Wegen nachging, nun, nach vielen kraft-
meierischen Exzessen, die Sehnsucht unserer
Generation entgegenschlägt und bestimmt zählt
dieser edle, grundehrliche, ernste Künstler zu
den wenigen Gerechten, die im Sodom unserer
Übergangsepoche leben und es zu überleben
vielleicht berufen sind...... dr. a. gottlieb.
KUNST UND SEELE. Was der Dichter nicht
leben kann, das geht in sein Werk, sagte
vorzeiten Rilke. Er meinte damit: Im Kunst-
werk wird das nicht gelebte Leben aufge-
fangen ; denn die Kräfte, die in faktisches Leben
übergehen, in die Tat, in das Abenteuer, in die
Liebe, — die sind für die Kunst verloren. Ganz
ähnlich ist es gedacht, wenn ein heutiger Autor
sagt: „Seele" ist leerlaufendes Leben, „Seele"
tritt immer da auf, wo die zugehörige Wirklich-
keit nicht den ganzen Menschen ergreift und
bindet. In dieser Anschauung, die die Kunst
und die „Seele" gleichsam zu Lückenbüßern
einer mangelnden Lebensrealität macht, liegt
ein doppelter Irrtum. Irrig ist die Vorstellung,
als könne sich der Mensch jemals in einer
„Wirklichkeit", in lauter „gelebtem Leben"
ohne Rest erfüllen; das heißt ihn auf eine Stufe
mit dem Element, mit dem animalischen Leben
stellen, was der Wahrheit hoffnungslos zuwider-
läuft. Und zweitens kommt die Kunst wie die
Seele aus Fülle des Lebens, nicht aus Armut.
Es gibt heute Versuche, seelenlos zu leben,
seelenlose Kunst zu machen. Liegt da erfüllte
gesunde Menschlichkeit vor oder nicht vielmehr
trostlose Armut und Verkümmerung? w. m.
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