KLASSE
LÖRCHKR
BILDHAUER
A L D E R
DIE LAGE DER PLASTIK IN DER GEGENWART
Die Kunstausstellungen des Jahres 1929
haben übereinstimmend ein neues Leben
in der Plastik gezeigt. In Kassel, in Mannheim,
in Köln und Darmstadt, überall trat die Plastik
in betonter Weise hervor. Ihre Leistungen hatten
ein höheres Niveau, sie kamen gegenüber der
Malerei mehr als bisher zur Geltung. Man hat
auch den Eindruck, daß plastische Kunst heute
selbst von einem breiteren Publikum leichter
gelesen, besser begriffen wird, als das lange
Zeit der Fall war. Vielleicht spielt hier der Um-
stand eine Rolle, daß der menschliche Körper
in den letzten Jahren „öffentlicher" geworden
ist? Der Sport, die Gesundheitspflege stellen
den unbekleideten Körper jedem von uns ins
Gesichtsfeld. Die Magazine, die illustrierten
Zeitschriften zeigen ihn täglich, außerdem kommt
hinzu, daß der moderne Mensch auch in gei-
stiger Hinsicht ein besseres Verhältnis zum
„Körper" hat, d. h. zum konkreten, wirklichen
Ding und Sachverhalt, zur leiblichen Gesamt-
existenz aller Erscheinungen. Man denke an
die große Bedeutung, die der Physiognomik
heute zukommt. Physiognomik heißt ja Körper-
deutung. Ausdruckslehre, Typenlehre, Schrift-
deutung stehen in hohen Ehren. Die Ent-
sprechungen von Leiblichem und Geistigem
werden heute tief gefühlt und beachtet. Man
darf in diesem Zusammenhang auch an moderne
Kunstdeutung erinnern: wie genau achtet
LÖRCHKR
BILDHAUER
A L D E R
DIE LAGE DER PLASTIK IN DER GEGENWART
Die Kunstausstellungen des Jahres 1929
haben übereinstimmend ein neues Leben
in der Plastik gezeigt. In Kassel, in Mannheim,
in Köln und Darmstadt, überall trat die Plastik
in betonter Weise hervor. Ihre Leistungen hatten
ein höheres Niveau, sie kamen gegenüber der
Malerei mehr als bisher zur Geltung. Man hat
auch den Eindruck, daß plastische Kunst heute
selbst von einem breiteren Publikum leichter
gelesen, besser begriffen wird, als das lange
Zeit der Fall war. Vielleicht spielt hier der Um-
stand eine Rolle, daß der menschliche Körper
in den letzten Jahren „öffentlicher" geworden
ist? Der Sport, die Gesundheitspflege stellen
den unbekleideten Körper jedem von uns ins
Gesichtsfeld. Die Magazine, die illustrierten
Zeitschriften zeigen ihn täglich, außerdem kommt
hinzu, daß der moderne Mensch auch in gei-
stiger Hinsicht ein besseres Verhältnis zum
„Körper" hat, d. h. zum konkreten, wirklichen
Ding und Sachverhalt, zur leiblichen Gesamt-
existenz aller Erscheinungen. Man denke an
die große Bedeutung, die der Physiognomik
heute zukommt. Physiognomik heißt ja Körper-
deutung. Ausdruckslehre, Typenlehre, Schrift-
deutung stehen in hohen Ehren. Die Ent-
sprechungen von Leiblichem und Geistigem
werden heute tief gefühlt und beachtet. Man
darf in diesem Zusammenhang auch an moderne
Kunstdeutung erinnern: wie genau achtet