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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 66.1930

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Heilmaier, Hans: Die moderne italienische Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9256#0090

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Die moderne italienische Malerei

und andere hielten sich an eine „klassische"
Bildordnung und beriefen sich im Rahmen per-
sönlicher Schaffensfreiheit auf die Beispiele der
Alten. Carlo Carrä und Giorgio de Chirico
bewegten sich in völlig neuen Bahnen. Carrä
war eine Zeitlang der Brennpunkt und Anima-
tor der „Valori plastici". Seine Bilder, ein ge-
lungenes Gemisch von präziser Gegenstands-
Erfassung und „überrealer" Ausdrucksweise,
verwiesen auf ein vielversprechendes Talent.
Seine jetzige Produktion bedeutet einen Rück-
schritt und zersplittert sich in tastenden Ver-
suchen um einen teils zum Museum teils zur
Natur hinführenden Ausweg. Eine weitere Be-
wegung entstand zur gleichen Zeit in Toskana
unter der Führung des Malers Soffici. Den
„Selvaggi" (den „Wilden") hat es offenbar die
liebliche Schönheit der heimatlichen Landschaft
angetan. Ihrer Meinung nach liefern die Bei-
spiele des 19. Jahrhunderls hinreichend An-
regung, sodaß sich ein ferneres Zurückgreifen
erübrige. So denken dann die Angehörigen
dieser Gruppe beim Anblick ihres Arno weniger
an Fra Angelico als an Cezanne.

Die Formation von Schulen und Richtungen
in den verschiedenen Provinzen des Landes

zeigt, daß der Lokalgeist immer einen gewissen
Ausschlag gegeben hat und heute noch ein ge-
wichtiges Wort mitredet. Diese Tatsache wird
durch die Existenz einer italienischen Gruppe
in Paris durchaus nicht widerlegt, eher noch be-
kräftigt. Den Malern Chirico, Tozzi, Cam-
pigli, Severini und andern ist Paris seit
langem zur zweiten Heimat geworden, und ihre
Kunst entwickelte sich innerhalb der mehr oder
weniger günstigen Bannmeile eines kosmopo-
litischen Zentrums. Das Frühwerk Chiricos
wird von den Surrealisten auf deren Konto ge-
bucht und gewisse Leinwände Severinis aus
der Frühzeit leugnen die kubistische Gestal-
tungsweise keineswegs. Genau besehen, sind
die hier schaffenden Italiener keiner der ört-
lichen Tendenzen tributpflichtig. An der Basis
ihrer Kunst steht das Ethische, wurzeln die
rassischen Eigentümlichkeiten. Sie bleiben im
Rahmen des persönlichen Stilbilds ebenso in-
takt wie evident.

Chirico, der Vater der „Pittura metafisica",
ist — im Gegensatz zu Carrä — den Ideen
der „Valori plastici" treu geblieben. Auf ihm
lastet der Albdruck einer übermächtigen Ver-
gangenheit und wie er von ihr loszukommen
 
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