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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 66.1930

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Schmidt, Paul Ferdinand: Neue Werke von Edwin Scharff
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https://doi.org/10.11588/diglit.9256#0107

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PROF. EDWIN SCHARFF

RELIEF »FRAUEN AM MEER«

NEUE WERKE VON EDWIN SCHARFF

Wir sind durch den übermächtigen Eindruck
der griechischen Kunst seit Jahrhunderten
gewöhnt worden, Skulpturen als eine Ange-
legenheit klassischer Form zu betrachten. Lang-
sam dämmert es seit ein paar Jahrzehnten, daß
eine solche Begriffsassoziation jeder Begründung
entbehrt, daß ägyptische , gotische , indische
Skulpturen das Gegenteil dieser Formanschau-
ung bedeuten. Unsere eigene Bildhauerkunst
wandelt aber zum großen Teil noch in den Spu-
ren der Tradition, die für sie allerdings mehr
den Beigeschmack des Realistischen besitzt, seit
den Umbildungen der Barockzeit. Die großen
Umwälzungen in der Malerei sind, mit einigen
allerdings sehr maßgeblichen Ausnahmen, an
der Skulptur ohne Einfluß vorübergegangen.

Edwin Scharff scheint darin keine Ausnahme
zu bilden; seine Werke erwecken den Eindruck,
als ob sie sich in den großen Komplex des pla-
stischen Realismus der Gegenwart einfügen.

Aber der Anschein trügt, wenn man das
werk in seiner Gesamtheit eindringlich be-
trachtet. Durch sein gesamtes Schaffen, seit
mehr als 20 Jahren, seit er als reifer Künstler
19°8 aus Spanien und Rom heimkehrte, geht
ein Idealismus, dessen hoher Stil sich von den
Gewohnheiten der Zeitgenossen unterscheidet.

Diesen Idealstil, der ebenso fern steht dem
früheren Impressionismus wie der Ausdrucks-
kunst oder der „Sachlichkeit", hatte Scharff
bis 1912 in Freskogemälden ausgebildet, seither
in bildhauerischer Tätigkeit. Ihr Geist ist sich
in beiden Formen gleich geblieben: eine Ge-
staltungsweisc, die hellenisch in jener deutschen
Abwandlung zu nennen ist, wie sie unsere
großen „Deutsch-Römer" prägten, die Carstens,
Genelli, Hans von Marees; gewandelt aber in
einem modernen Geist, der alle Formbildungen
von Rodin bis Maillol in Verarbeitung enthält.

Daß Scharff auch in den Werken seiner letz-
ten Zeit diese klassische Strenge zum Ausdruck
bringt, in einer leicht gelockerten Prägung, be-
weisen seine vollendeten Porträtbüsten, in
denen dem starken Persönlichkeitsausdruck das
Monumentale die Wage hält; sichtbarer die
Reliefs , durch deren gelöstere Oberflächenge-
staltung das Moment eines ganz reinen und zeit-
losen Idealismus hindurchschimmert; am offen-
barsten aber die Bildwerke von Überlebens-
größe, in denen er sein Eigentliches zu sagen
hat. Alles andere wirkt wie Beiwerk, in den
großen figürlichen Kompositionen allein er-
schöpft er seinen plastischen Darstellungswillen.
Er zeigt sich als Idealisierung des weiblichen

XXXIII. Mai 1«30. 3
 
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