RETNHOLD
K W A L D.
»FRAU MIT
KOPFTUCH«
REINHOLD EWALD-HANAU
Daß Leben sich ereigne zwischen ihm,
dem Künstler, und dem Ding — diesem
Ziel arbeitet Ewald entgegen: Kunstwerk als
der Ort, wo das dichteste Leben herrscht,
und zwar Leben als eine echte Begegnung
zwischen dem Ding und dem Ich. Man konnte
in Ewalds früheren Bildern eine enge, sperrige,
verschobene Welt sehen. Er war lebendig nach
Art eines verborgenen, koboldischen Elemen-
targeistes, heimlich, nicht offen, magisch, nicht
taghell und tagwirklich. Der menschliche Fort-
schritt der neuen Phase in Ewalds Schaffen liegt
im Abstreifen alles bloß „Sonderbaren" und
Abseitigen. Man muß vielleicht Ewalds Weg
sehr gut kennen, um zu verstehen, wie teuer
und wie legitim die neue Leichtigkeit und Be-
schwingtheit errungen ist. War er bisher einem
Menschen vergleichbar, der vor lauter Selbst-
kontrolle und Problematik des Ausdrucks nicht
zum Sprechen kam, so ist ihm nun die un-
gehinderte Zeichenfindung, die Rede, möglich
geworden. Die hier gezeigten Plastiken Ewalds
gehören in den Kreis der Engelsfiguren, die er
für eine katholische Kirche geschaffen hat. Sie
sind in Ton frei von unten her aufgebaut und
entfalten ein merkwürdig dichtes und vielfäl-
tiges Formenleben. Etwas von der Gesinnung
alter Holzbildhauerei tritt hervor, dieses be-
sondere Verweilen bei charaktervollen Falten-
systemen, der Sinn für die szenische Belebtheit,
der starke malerisch - zeichnerische Einschlag.
Wird man nicht fast an den Meister der Mos-
bacher Kreuzigung erinnert durch die Art, wie
das Gewand zum Sprechen gebracht ist? Mit
sicherer Hand hat Ewald diese Figuren dem
Bezirk des Profanen enthoben und sie in eine
Ferne, eine Höhe gerückt. Er hat sie zu Bildern
einer hochgeborenen Kraft und Milde gemacht
und sie mit einem Glanz von Heiterkeit ge-
schmückt, der mit Lächeln feierlich ist. . . h. r.
XXXHI. Mai 1930. 5
K W A L D.
»FRAU MIT
KOPFTUCH«
REINHOLD EWALD-HANAU
Daß Leben sich ereigne zwischen ihm,
dem Künstler, und dem Ding — diesem
Ziel arbeitet Ewald entgegen: Kunstwerk als
der Ort, wo das dichteste Leben herrscht,
und zwar Leben als eine echte Begegnung
zwischen dem Ding und dem Ich. Man konnte
in Ewalds früheren Bildern eine enge, sperrige,
verschobene Welt sehen. Er war lebendig nach
Art eines verborgenen, koboldischen Elemen-
targeistes, heimlich, nicht offen, magisch, nicht
taghell und tagwirklich. Der menschliche Fort-
schritt der neuen Phase in Ewalds Schaffen liegt
im Abstreifen alles bloß „Sonderbaren" und
Abseitigen. Man muß vielleicht Ewalds Weg
sehr gut kennen, um zu verstehen, wie teuer
und wie legitim die neue Leichtigkeit und Be-
schwingtheit errungen ist. War er bisher einem
Menschen vergleichbar, der vor lauter Selbst-
kontrolle und Problematik des Ausdrucks nicht
zum Sprechen kam, so ist ihm nun die un-
gehinderte Zeichenfindung, die Rede, möglich
geworden. Die hier gezeigten Plastiken Ewalds
gehören in den Kreis der Engelsfiguren, die er
für eine katholische Kirche geschaffen hat. Sie
sind in Ton frei von unten her aufgebaut und
entfalten ein merkwürdig dichtes und vielfäl-
tiges Formenleben. Etwas von der Gesinnung
alter Holzbildhauerei tritt hervor, dieses be-
sondere Verweilen bei charaktervollen Falten-
systemen, der Sinn für die szenische Belebtheit,
der starke malerisch - zeichnerische Einschlag.
Wird man nicht fast an den Meister der Mos-
bacher Kreuzigung erinnert durch die Art, wie
das Gewand zum Sprechen gebracht ist? Mit
sicherer Hand hat Ewald diese Figuren dem
Bezirk des Profanen enthoben und sie in eine
Ferne, eine Höhe gerückt. Er hat sie zu Bildern
einer hochgeborenen Kraft und Milde gemacht
und sie mit einem Glanz von Heiterkeit ge-
schmückt, der mit Lächeln feierlich ist. . . h. r.
XXXHI. Mai 1930. 5