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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 66.1930

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Sch., H.: Henri Matisse-Ausstellung, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.9256#0126

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HENRI M ATISSE-AUSSTELLUNG - BERLIN

Es ist ein Verdienst der Berliner Galerie
Thannhauser mit dem Gesamtschaffen des
sechzigjährigen Henri Matisse bekannt zu
machen. Dieses „Oeuvre" (Malerei, Graphik
und Plastik aus allen Schaffensperioden des
Künstlers), ganz aus der Tradition einer Nation
gewachsen, die stärker durch das Auge lebt
als jede andere, hält dem künstlerischen Zeit-
gewissen den Spiegel vor. Vor dem Ganzen
erschüttert einem das Vielseitige und Wendige,
das geradezu unglaubliche Wissen um die Kunst-
mittel und ihre raffinierteste Beherrschung; vor
jedem einzelnen Werk spürt man beim ersten
Hinblick das kalkulable Gesetz der Farben-
und Formthematik, und eine schöpferische
Leidenschaft, die mit kühnem Können Sujets
auf einer neuen, künstlichen Ausdrucksebene

wahrwerden läßt. Wunderbar, daß das mathe-
matisch anmutende Wissen um das Wie nie
hypertrophisch wirkt, sondern durch das Tempe-
ramentvolle des Vortrags phantastisch be-
zaubert. Ungemein ergiebig ist es, auf dieser
Ausstellung die Entwicklung des Malers zu ver-
folgen, zum Beispiel dem Weg nachzuspüren,
auf dem ein gleichbleibender persönlicher Aus-
druckswille in wachstümlich - logischer Folge-
richtigkeit in einer Periode von neun Jahren
zu sich selber kommt, von dem Stilleben (1896),
das wie ein später Holländer, ganz präimpressio-
nistisch - tonig in Braun und Grün schummert,
zu dem „Balkonzimmer" (1905), das in der ein-
dringlichen Reinheit leuchtender Farbe, leb-
hafter, sich aneinander ausgleichender Töne, ein
ganz absoluter Matisse, zügig gemalt ist. h. sch.
 
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