ARBEITEN VON HILDE BLUM BERG ER-WIEN
VON DR. BANS VON ANKWICZ
Es ist etwas Merkwürdiges um den „Wiener
Stil" im Kunstgewerbe, der so charakte-
ristisch und in seiner leichtbeschwingten Grazie
so bestechend ist und dessen Schöpfer doch
nur zum geringsten Teil wirkliche, echte Wiener
sind. So wie Paris seit Jahrhunderten als
geistiges Zentrum Frankreichs die besten Kräfte
des Landes an sich gezogen und ihre provin-
ziellen Verschiedenheiten durch das vereinheit-
lichende Fluidum des „Pariserischen" aus-
geglichen hat, so wußte sich auch Wien seit
Generationen die wertvollsten Talente des viel-
rassigen Österreich zu assimilieren und ihren
auf Wiener Boden erzielten Leistungen den ge-
meinsamen Stempel des „Wienerischen" auf-
zudrücken. Neben den Alpenländern waren es
vor allem die Sudetengebiete, die auf das
Wiener Kunstleben wichtigen, gestaltenden
Einfluß nahmen. Josef M. Olbrich, der Er-
bauer der Wiener Sezession, war ein gebür-
tiger Schlesier, Josef Hoffmann, der Gründer
der „Wiener Werkstätte" ist ein Nordmälirer,
auch Alfred Roller, Berthold Löffler, Franz
Cizek und Anton Hanak haben inner-
halb der Grenzpfähle der heutigen Tschecho-
slowakei das Licht der Welt erblickt. Dennoch
aber sind sie in ihren Werken ihrer zweiten
Heimat Wien aufs engste verbunden, haben sie
XXXin. Mai 1930. 6
sich in ihrem Schaffen gleich dem Salzburger
Dagobert Peche oder dem Steyrer Michael
Powolny den künstlerischen Traditionen der
Donaustadt völlig eingefügt und als Lehrer an
der Wiener Kunstgewerbeschule an der Ent-
wicklung jenes Stiles mitgearbeitet, den man
im Auslande auf den ersten Blick als den
Wienerischen erkennt. Und trotz der trennen-
den Grenzen übt er auch gegenwärtig noch
seine Anziehungskraft auf die kunstbeflissenen
jungen Leute in Böhmen, Mähren und Schlesien
aus, in hellen Scharen strömen sie — wie einst
— lernbegierig der Wiener Kunstgewerbeschule
zu. Und wenn sie ihr einmal angehören, sind
sie auch dem Bann der Meister, die an ihr wir-
ken, verfallen, nimmt ihr Schaffen allmählich
die Wiener Note an. So erging es auch der
jungen Deutsch-Pragerin Hilde Blumberger,
die vor einigen Jahren an die Wiener Kunst-
gewerbeschule kam und zunächst die Klasse
des Regierungsrates Prof. Franz Cizek, sodann
die Abteilung des Oberbaurates Prof. Dr. Josef
Hoff mann besuchte. Bei Prof. Cizek frequen-
tierte sie den Kurs für Tektonik, in dem die
Schüler in die Lehre von der Fläche, der Farbe
und der Form eingeführt und dazu angeleitet
werden, aus dem Geiste des Materials heraus
zu arbeiten. Die hier gewonnenen Erfahrungen
VON DR. BANS VON ANKWICZ
Es ist etwas Merkwürdiges um den „Wiener
Stil" im Kunstgewerbe, der so charakte-
ristisch und in seiner leichtbeschwingten Grazie
so bestechend ist und dessen Schöpfer doch
nur zum geringsten Teil wirkliche, echte Wiener
sind. So wie Paris seit Jahrhunderten als
geistiges Zentrum Frankreichs die besten Kräfte
des Landes an sich gezogen und ihre provin-
ziellen Verschiedenheiten durch das vereinheit-
lichende Fluidum des „Pariserischen" aus-
geglichen hat, so wußte sich auch Wien seit
Generationen die wertvollsten Talente des viel-
rassigen Österreich zu assimilieren und ihren
auf Wiener Boden erzielten Leistungen den ge-
meinsamen Stempel des „Wienerischen" auf-
zudrücken. Neben den Alpenländern waren es
vor allem die Sudetengebiete, die auf das
Wiener Kunstleben wichtigen, gestaltenden
Einfluß nahmen. Josef M. Olbrich, der Er-
bauer der Wiener Sezession, war ein gebür-
tiger Schlesier, Josef Hoffmann, der Gründer
der „Wiener Werkstätte" ist ein Nordmälirer,
auch Alfred Roller, Berthold Löffler, Franz
Cizek und Anton Hanak haben inner-
halb der Grenzpfähle der heutigen Tschecho-
slowakei das Licht der Welt erblickt. Dennoch
aber sind sie in ihren Werken ihrer zweiten
Heimat Wien aufs engste verbunden, haben sie
XXXin. Mai 1930. 6
sich in ihrem Schaffen gleich dem Salzburger
Dagobert Peche oder dem Steyrer Michael
Powolny den künstlerischen Traditionen der
Donaustadt völlig eingefügt und als Lehrer an
der Wiener Kunstgewerbeschule an der Ent-
wicklung jenes Stiles mitgearbeitet, den man
im Auslande auf den ersten Blick als den
Wienerischen erkennt. Und trotz der trennen-
den Grenzen übt er auch gegenwärtig noch
seine Anziehungskraft auf die kunstbeflissenen
jungen Leute in Böhmen, Mähren und Schlesien
aus, in hellen Scharen strömen sie — wie einst
— lernbegierig der Wiener Kunstgewerbeschule
zu. Und wenn sie ihr einmal angehören, sind
sie auch dem Bann der Meister, die an ihr wir-
ken, verfallen, nimmt ihr Schaffen allmählich
die Wiener Note an. So erging es auch der
jungen Deutsch-Pragerin Hilde Blumberger,
die vor einigen Jahren an die Wiener Kunst-
gewerbeschule kam und zunächst die Klasse
des Regierungsrates Prof. Franz Cizek, sodann
die Abteilung des Oberbaurates Prof. Dr. Josef
Hoff mann besuchte. Bei Prof. Cizek frequen-
tierte sie den Kurs für Tektonik, in dem die
Schüler in die Lehre von der Fläche, der Farbe
und der Form eingeführt und dazu angeleitet
werden, aus dem Geiste des Materials heraus
zu arbeiten. Die hier gewonnenen Erfahrungen