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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 66.1930

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Heilmaier, Hans: Moderne Theater-Dekorationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9256#0208

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PABLO PICASSO. »BALLF.TT-FIGURINE«

lieferte nun wieder die Entwürfe (was auch
im 18. Jahrhundert der Fall gewesen) und
ergriff, ein entscheidendes Faktum, die Ini-
tiative. Der vom Orient her beeinflußte Stil
eines Bakst, die russischen Interieurs eines
Benois und die künstlerisch im Geist des
Entwurfs gelösten Bühnenbilder des Deko-
rateurs Anisfeld haben beim ersten Auf-
treten des Balletts in der Oper und im
Theater der Champs-Elysees durch die freie
Interpretation alter Themen in Farbe und
Komposition ebenso neuartig wie kühn ge-
wirkt. Aber die endgültige Reorganisation
setzte unmittelbar vor dem Kriege ein. In
jener Zeit, da alter Requisitenplunder,
effekthascherische Szenenbeleuchtung und
„traditionsgetreue" Kostümierung noch zum
unwandelbar eisernen Bestand gehörten,
war es Diaghileffs intuitives Genie, das die
Entscheidung erzwang. Matisse, Derain,
Picasso, Rouault, Larionow, Gris, Gont-
scharowa, Braque, späterhin Chirico, Miro
und andere folgten seinem Rufe. Picassos
Ausspruch: „La nature existe, mais ma toile
aussi ..." sollte zur Richtschnur für die
künstlerische Arbeit im Dienste der Bühne
werden. Die Dekorationen wurden nun-

mehr von den Malern selbst im großen aus-
geführt. Vorhang und Kostüme, sämtliche
Details nach den Angaben und Zeichnungen
des Künstlers gefertigt und, ähnlich den
einzelnen Partien eines Staffeleibilds, als
Teilbestände des Gesamtdekors behandelt.
Um ein konkretes Beispiel zu geben: Matisse
stellte in seinem Entwurf zu Stravinskys
„Rossignol" dieselben Farbenbeziehungen
her, welche die koloristische Basis seiner
Leinwände bildeten. War der Vorhang
schwarz-weiß, so auch die Kostüme und
demgemäß regelte sich nach seinen An-
gaben die Beleuchtung. Chirico verpflanzte
den phantastischen Spektakel seiner anti-
ken Bildwelt kurzweg auf die Bretter.
Szenerie und Auffassung auf Bühne und
Leinwand waren identisch. Leger gab in
seinen Dekorationen zu „Skating Ring"
und „Creation du Monde" kein Jota sei-
ner konstruktiven Darstellungsweise preis.
Nichts Deskriptives und Literarisches, keine
Kulissenmätzchen mehr! Der Dekor wurde
im Geiste des Stücks gestaltet und nicht
nach den vergilbten Szenario-Büchern. Be-
wegung und Gesten der Schauspieler,

PABLO PICASSO. FARBIGE ZEICHNUNG »BALLETT-FIGUR INE«

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