Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 66.1930

DOI Artikel:
Ozenfant, A.: 50 Künstler porträtieren eine Frau
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9256#0244

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
50 Künstler porträtieren eine Frau

amede
ozenfant

»lan i -
hildnis«

Frau Lani zu sitzen, wenn sie denkt, wenn man
ihr Zeit zum Denken läßt, wenn man sich nicht
verpflichtet glaubt, mit ihr zu sprechen wie mit
einem Kanarienvogel!

Allzuviele Frauenmaler meinen, Frauen seien
notwendigerweise fremde Vögel; welch ein
technischer Fehler! Er erklärt die Nichtigkeit
fast aller Frauenbildnisse.

*

Freunde sagten mir oft: „Wie langweilig —
Porträtmalen! Wir machen lieber selbständige
Arbeiten, ein realer Vorwurf ödet uns an." Ich
antwortete darauf: „ Wir schaffen nie etwas ganz
Selbständiges. Dazu müßten wir die Fähigkeit
haben, neue Dinge zu erfinden. Aber es steht
nicht in der Macht des Menschen, von Grund
aus Neues zu erfinden, sondern nur, das ewig
Gegebene neu zu organisieren."

Es geht nicht darum, die Natur zu kopieren,
sondern die Kunst liegt darin, das Gewöhn-
liche in ungewöhnlicher Erscheinung zu zeigen.
Das Ungewöhnliche ist nicht notwendig das
Monströse. Warum hätte ich unter dem Vor-
wand der Originalität aus diesem schönen Ge-
schöpf ein Monstrum machen sollen?

Das Schöne ist nicht das Häßliche. Eine
Binsenwahrheit? — Sprecht mit Malern darüber!

Man muß das Wunder in allem sehen kön-
nen, selbst in den alltäglichsten und gewöhn-
lichsten Dingen. Alles ist wunderbar: ein Gras-
halm , ein Streichholz, ein Nagel. Ich sage
meinen Schülern manchmal: „Ein Gott ist kein
besserer Vorwurf als ein Nagel. Ein Nagel ist
etwas ebenso Ungewöhnliches wie ein Diplo-
dokus." Goethe wußte das wohl.

Wenn in einem Maler nicht ein Faust lebt,
so ist er nur ein Kretin hinter einer Netzhaut.
Und ihr bleibt kalt vor einem Menschenwesen,
vor einer Frau? Ihr malt mit Hingabe Äpfel
und Birnen —■ und ein Antlitz sagt euch nichts?

Alle Kunst besteht darin, das Wunderbare
sichtbar zu machen.

Frau Lani ist ein Wunder. ... a. ozenfant.


Einem Bedürfnis, gemischt aus der Sucht, be-
wundert, geliebt und beneidet zu werden,
entspricht das, was man sich gewöhnt hat, Er-
folg zu nennen. „Sucht nach dem Zeugnis der
anderen", könnte man einfacher sagen. Wie
schlecht versteht man dann, daß der Erfolg,
der also keine andere Realität hat als das Ge-
fühl der anderen, so oft mit dem Glück ver-
wechselt wird, das, sich selbst genügend, keines
Zeugnisses von anderer Seite bedarf. ... g.

234
 
Annotationen