Der moderne Bildersturm
wollen Räume und Häuser herstellen, an denen
die Dreidimensionalität zu klarer Anschaulich-
keit kommt, sie wollen Höhe, Breite, Tiefe der
Wandflächen in befriedigende mathematische
Verhältnisse bringen. Würden nun Bilder diese
ästhetischen Absichten des Baukünstlers stören?
Ich glaube, nein. Im Gegenteil. Diese An-
schaulichkeit, diese mathematischen Verhält-
nisse wiederholen sich im Bilde (freilich nur in-
soweit es Kunstwerk ist) auf einer anderen
Ebene. Was im Räume zur einfachen logischen
Lösung geführt ist, im Bilde wird es auf den
verschlungenen Wegen der Phantasie erreicht.
Gewiß, das Bild bringt (wenn wir von dem ab-
strakten absehen) etwas Gegenständliches, es
bringt Natur in den abstrakten Raum. Aber
ist es nicht gerade ein Reiz, daß dieses Gegen-
ständliche, daß diese Natur von dem Künstler
gezwungen wird, sich den im Grunde gleichen
Gesetzen unterzuordnen, die in dem Aufbau
der Räume herrschen? Die Strenge, die Ruhe,
die Logik der Wandflächen wird um so stärker
sprechen durch die Mitwirkung des verwandten,
aber freieren, irrationalen Kunstwerks.
Mag im Büroraum reine Zweckmäßigkeit und
nüchterne Logik herrschen, dem Wohnraum
gibt erst das Kunstwerk das Einmalige, Un-
wiederholbare der Individualität, Sinnlichkeit
neben Abstraktion, den Überfluß neben der
Strenge, Eros neben Logos.
Schiller lehrt, daß der Mensch nur da ganz
Mensch sei, wo er spielt. Und: das Überflüssige
ist das Dringendste der Bedürfnisse, lautet eine
Stelle in den Briefen Flauberts....... sch.
ERNST WILHELM NAY—BERLIN. »STILLEBEN MIT WEISSER KANNE«
ausstellung der preuss. akademie der künste—berlin
284
wollen Räume und Häuser herstellen, an denen
die Dreidimensionalität zu klarer Anschaulich-
keit kommt, sie wollen Höhe, Breite, Tiefe der
Wandflächen in befriedigende mathematische
Verhältnisse bringen. Würden nun Bilder diese
ästhetischen Absichten des Baukünstlers stören?
Ich glaube, nein. Im Gegenteil. Diese An-
schaulichkeit, diese mathematischen Verhält-
nisse wiederholen sich im Bilde (freilich nur in-
soweit es Kunstwerk ist) auf einer anderen
Ebene. Was im Räume zur einfachen logischen
Lösung geführt ist, im Bilde wird es auf den
verschlungenen Wegen der Phantasie erreicht.
Gewiß, das Bild bringt (wenn wir von dem ab-
strakten absehen) etwas Gegenständliches, es
bringt Natur in den abstrakten Raum. Aber
ist es nicht gerade ein Reiz, daß dieses Gegen-
ständliche, daß diese Natur von dem Künstler
gezwungen wird, sich den im Grunde gleichen
Gesetzen unterzuordnen, die in dem Aufbau
der Räume herrschen? Die Strenge, die Ruhe,
die Logik der Wandflächen wird um so stärker
sprechen durch die Mitwirkung des verwandten,
aber freieren, irrationalen Kunstwerks.
Mag im Büroraum reine Zweckmäßigkeit und
nüchterne Logik herrschen, dem Wohnraum
gibt erst das Kunstwerk das Einmalige, Un-
wiederholbare der Individualität, Sinnlichkeit
neben Abstraktion, den Überfluß neben der
Strenge, Eros neben Logos.
Schiller lehrt, daß der Mensch nur da ganz
Mensch sei, wo er spielt. Und: das Überflüssige
ist das Dringendste der Bedürfnisse, lautet eine
Stelle in den Briefen Flauberts....... sch.
ERNST WILHELM NAY—BERLIN. »STILLEBEN MIT WEISSER KANNE«
ausstellung der preuss. akademie der künste—berlin
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