NEUE BILDER VON OSCAR LÜTHY
Oscar Lüthy nannte eine Bilderreihe, die
den hier veröffentlichten Werken kurz
vorausging, Wachtraumzyklus. Hat er, nach
einer streng aufbauenden, durch überfeine Sen-
sibilität und guten Intellekt scharf kontrollierten
Malerei die Ohnmacht des Intellektes erkannt,
um sich ganz seiner starken Intuition hinzu-
geben? Er würde sich hier mit den Kubisten
decken, die Apollinaire die „cubistes instinctifs"
nannte oder mit der surrealistischen Bewegung,
die nur eine Welt aus dem Unterbewußten, als
der wirklichen und tiefsten Realität, anerkennen
will. Diese Bewegung wäre das romantische
Gegenstück zur Sachlichkeit, soweit diese nicht
nur reaktionäre, versteckte Romantik ist, son-
dern kristallisierte Dingwirklichkeit als ein neuer
Kult des Sichtbaren.
Auf diese Wachtraumbilder folgte rasch eine
neue Reihe von Stilleben und Köpfen, der die
hier abgebildeten Stücke entnommen sind. In
diesen neuen Bildern wird die Vision restlos
in einem durch Jahrzehnte streng gehandhab-
ten Handwerk verwirklicht. Die Freude eines
Künstlers, dem mehr und mehr seine eigensten
Mittel in die Hand gleiten, als selbstverständ-
liche Folge innerer Reife, strahlt aus diesen
farbig beglückenden Werken. Lüthy wurde oft
der Vorwurf zu großer Wandlungsfähigkeit ge-
macht. Aber dieser mit großer Tradition er-
füllte Maler ist einerseits eingespannt zwischen
die feststehenden malerischen Werte einer
großen Vergangenheit und die umwertende
Gegenwart. Anderseits ist er ebensosehr offe-
ner Sinnenmensch und ein Liebhaber dieser
Welt als ein sich leicht in der Meditation und
Abstraktion verlierender Freund der alle Gegen-
ständlichkeit auflösenden Dämmerung. Diese
vielfachen Strahlungen, die sein Wesen ab-
wechselnd bestimmen mögen, durchkreuzen
dieses reiche Werk, das aber bei aller äußern
Wandlungsfähigkeit von einer gleichbleibenden
innern Ruhe und Sicherheit und einem Glänze
ist, der allein aus dem Glauben an den ewigen
Sieg des Lichtes kommen kann. ... w. kern.
XXXIII. September 1930. 2
Oscar Lüthy nannte eine Bilderreihe, die
den hier veröffentlichten Werken kurz
vorausging, Wachtraumzyklus. Hat er, nach
einer streng aufbauenden, durch überfeine Sen-
sibilität und guten Intellekt scharf kontrollierten
Malerei die Ohnmacht des Intellektes erkannt,
um sich ganz seiner starken Intuition hinzu-
geben? Er würde sich hier mit den Kubisten
decken, die Apollinaire die „cubistes instinctifs"
nannte oder mit der surrealistischen Bewegung,
die nur eine Welt aus dem Unterbewußten, als
der wirklichen und tiefsten Realität, anerkennen
will. Diese Bewegung wäre das romantische
Gegenstück zur Sachlichkeit, soweit diese nicht
nur reaktionäre, versteckte Romantik ist, son-
dern kristallisierte Dingwirklichkeit als ein neuer
Kult des Sichtbaren.
Auf diese Wachtraumbilder folgte rasch eine
neue Reihe von Stilleben und Köpfen, der die
hier abgebildeten Stücke entnommen sind. In
diesen neuen Bildern wird die Vision restlos
in einem durch Jahrzehnte streng gehandhab-
ten Handwerk verwirklicht. Die Freude eines
Künstlers, dem mehr und mehr seine eigensten
Mittel in die Hand gleiten, als selbstverständ-
liche Folge innerer Reife, strahlt aus diesen
farbig beglückenden Werken. Lüthy wurde oft
der Vorwurf zu großer Wandlungsfähigkeit ge-
macht. Aber dieser mit großer Tradition er-
füllte Maler ist einerseits eingespannt zwischen
die feststehenden malerischen Werte einer
großen Vergangenheit und die umwertende
Gegenwart. Anderseits ist er ebensosehr offe-
ner Sinnenmensch und ein Liebhaber dieser
Welt als ein sich leicht in der Meditation und
Abstraktion verlierender Freund der alle Gegen-
ständlichkeit auflösenden Dämmerung. Diese
vielfachen Strahlungen, die sein Wesen ab-
wechselnd bestimmen mögen, durchkreuzen
dieses reiche Werk, das aber bei aller äußern
Wandlungsfähigkeit von einer gleichbleibenden
innern Ruhe und Sicherheit und einem Glänze
ist, der allein aus dem Glauben an den ewigen
Sieg des Lichtes kommen kann. ... w. kern.
XXXIII. September 1930. 2