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STOCKHOLMER AUSSTELLUNG
»BLICK AUF AUSSTELLUNGS-HALLEN<
DIE STOCKHOLMER AUSSTELLUNG
VON PROF. DR. J. BAUM
In der deutschen Vorstellung von neuer Bau-
kunst und gutem Handwerk hat Schweden
neben Holland seinen Platz. Östbergs Stock-
holmer Stadthaus ist in Deutschland gefeiert
worden wie kaum ein deutscher Bau. Man
kommt mit großen Erwartungen nach Stock-
holm, findet eine Stadt mit vielen Hochhäusern
rein amerikanischen Gepräges, sieht das Stadt-
haus in wenigen Jahren schon sehr historisch
geworden und wendet sich zur Ausstellung.
In ihrer Ablehnung sind weite Kreise Schwe-
dens sich einig. Man empfindet den Bruch mit
der Überlieferung als zu stark. Für uns Deut-
sche bietet sie im Architektonischen bei Tage
nichts, das wir in der reißenden Entwicklung
der letzten Jahre nicht schon in der etwa
durch Mendelssohn vertretenen Richtung er-
lebt hätten, die man in Schweden als „funktio-
nalistisch" bezeichnet. Diese Architektur, zu
gut, um bloß als Leistung eines den Anschluß
nicht versäumen wollenden Mitläufers gewertet
zu werden, feiert ihren Triumph in den kurzen
Stunden der nordischen Nacht, wenn alle kon-
struktiven Teile, nicht nur die horizontalen
Bänder, wie man es in unserer nur auf deko-
rative Wirkung gerichteten Straßenreklame ge-
wohnt ist, sondern auch die vertikalen Pfeiler
in intensivem Eigenlicht strahlen. Ganze Bau-
werke, wie das Empfangsgebäude, sind aus
gläsernen Pfeilern aufgebaut. Ein solcher Funk-
tionalismus geht über die Träume und Wünsche
kühnster Gotiker, die nur an durchleuchtete
Glaswände, nie an selbstleuchtendes Gerüst
dachten, weit hinaus.
Weißschimmernde Vertikalen und Horizon-
talen, dazwischen Glaswände, hinter denen die
Innenräume der Verkaufshallen und der großen
Versammlungsstätten in gedämpftem Golde
schimmern, im Gegensatze zu den weithin sich
streckenden Horizontalen ein 80 m hoher Re-
klamemast mit wirkungsvoll verteilter Orna-
mentik roter und grüner Schriften — wer den
375
XXXIII. September 1930. 5
STOCKHOLMER AUSSTELLUNG
»BLICK AUF AUSSTELLUNGS-HALLEN<
DIE STOCKHOLMER AUSSTELLUNG
VON PROF. DR. J. BAUM
In der deutschen Vorstellung von neuer Bau-
kunst und gutem Handwerk hat Schweden
neben Holland seinen Platz. Östbergs Stock-
holmer Stadthaus ist in Deutschland gefeiert
worden wie kaum ein deutscher Bau. Man
kommt mit großen Erwartungen nach Stock-
holm, findet eine Stadt mit vielen Hochhäusern
rein amerikanischen Gepräges, sieht das Stadt-
haus in wenigen Jahren schon sehr historisch
geworden und wendet sich zur Ausstellung.
In ihrer Ablehnung sind weite Kreise Schwe-
dens sich einig. Man empfindet den Bruch mit
der Überlieferung als zu stark. Für uns Deut-
sche bietet sie im Architektonischen bei Tage
nichts, das wir in der reißenden Entwicklung
der letzten Jahre nicht schon in der etwa
durch Mendelssohn vertretenen Richtung er-
lebt hätten, die man in Schweden als „funktio-
nalistisch" bezeichnet. Diese Architektur, zu
gut, um bloß als Leistung eines den Anschluß
nicht versäumen wollenden Mitläufers gewertet
zu werden, feiert ihren Triumph in den kurzen
Stunden der nordischen Nacht, wenn alle kon-
struktiven Teile, nicht nur die horizontalen
Bänder, wie man es in unserer nur auf deko-
rative Wirkung gerichteten Straßenreklame ge-
wohnt ist, sondern auch die vertikalen Pfeiler
in intensivem Eigenlicht strahlen. Ganze Bau-
werke, wie das Empfangsgebäude, sind aus
gläsernen Pfeilern aufgebaut. Ein solcher Funk-
tionalismus geht über die Träume und Wünsche
kühnster Gotiker, die nur an durchleuchtete
Glaswände, nie an selbstleuchtendes Gerüst
dachten, weit hinaus.
Weißschimmernde Vertikalen und Horizon-
talen, dazwischen Glaswände, hinter denen die
Innenräume der Verkaufshallen und der großen
Versammlungsstätten in gedämpftem Golde
schimmern, im Gegensatze zu den weithin sich
streckenden Horizontalen ein 80 m hoher Re-
klamemast mit wirkungsvoll verteilter Orna-
mentik roter und grüner Schriften — wer den
375
XXXIII. September 1930. 5