Das offene System
AUSSTELLUNG STOCKHOLM
Hüll
»EINFACHES WOHNHAUS«
AUSSTELLUNG STOCKHOLM »EIN FAMILIEN-LANDHAUS«
man skeptisch zu denken geneigt von
der Dauergeltung der mit dem realen
Leben am engsten verknüpften Kunst:
der Architektur. Die „neue Wohnform"
gilt vielen als eine „Reaktion", als ein
Pendelschlag nach der „anderen" —
sagen wir etwa: der nicht-kunstgewerb-
lichen Seite, als etwas, das sich wohl
bald wieder ändern kann.
Man übersieht, mit diesem skepti-
schen Wissen behaftet, leicht, daß es
neben bloßen „Reaktionen" auch „Wen-
dungen" geben kann, die viel bedeut-
samer sind, als daß man den für jene
wohl geltenden Maßstab anlegen dürfte.
Sie vollziehen sich unter der Ober-
fläche und sind eigentlich unabhängig
vom eiligen Pendelschlag der Reaktio-
nen und Moden; die letzteren, die sich
eines Neuen, das aus tieferen Quellen
kommt, gleich mit aller Geschäftigkeit
bedienen, sind freilich das zunächst
Deutlichste, Sichtbarste, deshalb verun-
klären sie aber auch leicht alles.
Wenn wir nun z. B. von unserer heu-
tigen „neuen Wohnform" sagen zu kön-
nen glauben, daß sie nicht eine bloße
Reaktion, sondern eine „Wendung"
bedeutet, so ist das nicht vage opti-
mistische Zuversichtlichkeit. Wie der
Skeptiker auf ein Wissen von den
Dingen hinweist, wenn er seinen Zweifel
äußert, so „wissen" auch wir, was
wir sagen.
Denn: man kann wohl behaupten, daß
der moderne Mensch mit seiner sen-
siblen Geistigkeit und nervösen Sen-
sualität in noch höherem Grade wandel-
bar ist, als der Mensch vergangener
Zeiten, und daß eine „lebendige Woh-
nung" in ihrer Form immer durch diese
vielfältig sich wandelnde Lebendigkeit
bestimmt sein wird. Aber das schließt
nicht aus, daß wir zugleich mit einer für
die Gegenwart geltenden Wohnform
auch die der Zukunft bilden. Wes-
halb? — Einfach deshalb, weil wir dem,
was man das innerste „Programm" der
neuen Wohnung nennen könnte, keine
formalistischen Absichten zugrunde ge-
legt haben, sondern eben dieses Wissen
von der wandelbaren menschlichen
Lebensbewegtheit. Besteht nun einmal
— so kann man sagen — diese letztere
in Vielfältigkeit und Veränderlichkeit,
so ist gerade das an ihr das Unverän-
derbare. Und eine Form, die von
AUSSTELLUNG STOCKHOLM
Hüll
»EINFACHES WOHNHAUS«
AUSSTELLUNG STOCKHOLM »EIN FAMILIEN-LANDHAUS«
man skeptisch zu denken geneigt von
der Dauergeltung der mit dem realen
Leben am engsten verknüpften Kunst:
der Architektur. Die „neue Wohnform"
gilt vielen als eine „Reaktion", als ein
Pendelschlag nach der „anderen" —
sagen wir etwa: der nicht-kunstgewerb-
lichen Seite, als etwas, das sich wohl
bald wieder ändern kann.
Man übersieht, mit diesem skepti-
schen Wissen behaftet, leicht, daß es
neben bloßen „Reaktionen" auch „Wen-
dungen" geben kann, die viel bedeut-
samer sind, als daß man den für jene
wohl geltenden Maßstab anlegen dürfte.
Sie vollziehen sich unter der Ober-
fläche und sind eigentlich unabhängig
vom eiligen Pendelschlag der Reaktio-
nen und Moden; die letzteren, die sich
eines Neuen, das aus tieferen Quellen
kommt, gleich mit aller Geschäftigkeit
bedienen, sind freilich das zunächst
Deutlichste, Sichtbarste, deshalb verun-
klären sie aber auch leicht alles.
Wenn wir nun z. B. von unserer heu-
tigen „neuen Wohnform" sagen zu kön-
nen glauben, daß sie nicht eine bloße
Reaktion, sondern eine „Wendung"
bedeutet, so ist das nicht vage opti-
mistische Zuversichtlichkeit. Wie der
Skeptiker auf ein Wissen von den
Dingen hinweist, wenn er seinen Zweifel
äußert, so „wissen" auch wir, was
wir sagen.
Denn: man kann wohl behaupten, daß
der moderne Mensch mit seiner sen-
siblen Geistigkeit und nervösen Sen-
sualität in noch höherem Grade wandel-
bar ist, als der Mensch vergangener
Zeiten, und daß eine „lebendige Woh-
nung" in ihrer Form immer durch diese
vielfältig sich wandelnde Lebendigkeit
bestimmt sein wird. Aber das schließt
nicht aus, daß wir zugleich mit einer für
die Gegenwart geltenden Wohnform
auch die der Zukunft bilden. Wes-
halb? — Einfach deshalb, weil wir dem,
was man das innerste „Programm" der
neuen Wohnung nennen könnte, keine
formalistischen Absichten zugrunde ge-
legt haben, sondern eben dieses Wissen
von der wandelbaren menschlichen
Lebensbewegtheit. Besteht nun einmal
— so kann man sagen — diese letztere
in Vielfältigkeit und Veränderlichkeit,
so ist gerade das an ihr das Unverän-
derbare. Und eine Form, die von