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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 68.1931

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Michel, Wilhelm: Kunst in Not
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https://doi.org/10.11588/diglit.9248#0029

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Kunst in Not

sagen, daß darin etwas Richtiges liegt gegen-
über einer rückständigen Biedermeierei und
einer auf die „Seele" pochenden Zuchtlosigkeit
— wie schlimm wird einem zu Mut, sieht man
hinter diesem Sarkasmus die tolle Illusion stehen,
es sei dem Menschen möglich, aus der Doppel-
poligkeit seines Wesens herauszukommen! Das
ist das Geheimnis der heutigen Maschinen-
vergötterung: der Mensch will sich zur Grund-
gegebenheit seines Wesens, zu dem Beieinander
und Ineinander von Geist und Körper, von
Nähe und Distanz, Naturverschlungenheit und
Naturüberlegenheit, Erlebnis und Verstehen
nicht mehr bekennen. Und da gerade das Feld

dieser seiner Spannungen das Feld der
Kunst ist, bringt der Versuch des heutigen
Menschen, sich als ein von Grund aus eindeu-
tiges, spannungsloses Wesen zu fassen, das
Feld der Kunst zum Schwinden.

Ich wollte, ich könnte das so klar machen,
wie es mir vorm Auge steht. Es sieht alles
trocken aus, was man darüber sagt, und doch
steht dabei das Leben selbst in Frage, und doch
ist noch die bescheidenste Künstlerexistenz ein
Ansatzpunkt jener Kraft, die den Geist nicht
herausfallen läßt aus dem Lebenszusammen-
hang und die das Leben hart am Geiste hält,
damit es sich nicht im Pfadlosen verirrt.
 
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