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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 68.1931

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Osborn, Max: Akademie und Secession in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.9248#0229

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Akademie und Secession in Berlin

Die Secession hat diesmal nicht nur durch
denNußbaum'schen Akademiescherz Faschings-
laune bekundet. Der ganze Grundgedanke ihrer
Ausstellung „Künstler unter sich" war als ernst-
hafter Spaß gemeint. Allerdings sprach ein
Quantum Galgenhumor mit: Gebt Jhr uns keine
Aufträge, so porträtieren wir uns selbst und
gegenseitig, oder holen uns aus den Nachbar-
provinzen der Literatur, des Theaters, der
Musik befreundete Modelle. Eine Fülle guter
Köpfe, das muß man sagen, und, wenn auch
gewiß das Letzte, Endgültige keineswegs aus-
gesprochen wurde, und wenn man sich auch
mehr Laune, Übermut, Rücksichtslosigkeit, Griff
in verstecktere Tiefen gewünscht hätte, eine
ganze Galerie sehr beachtlicher Arbeiten. Kraus-
kopf fegte den malenden Pechstein hin, und
Pechstein vergalt Krauskopf Gleiches mit Glei-
chem. Ernst Fritsch malte Willy Jaeckel lachend,
und Jaeckel Fritsch bitterernst. Rudolf Levy
konterfeite Purrmann, Dreßler Herbig, E. R.
Weiß seine Gattin Renee Sintenis. Durch Georg
Kars erfährt man, wie Utrillo aussieht. Eine
Doppelerinnerung erfüllte uns mit Wehmut: das
zarte Bildnis, das einst Curt Herrmann von Otto

Müller gemalt hat. Alles überragend aber das
Porträt Arthur Degners aus Corinths Nachlaß,
der großen Reihe seiner letzten Jahre angehörig.
Und wenn ein Selbstbildnis Corinths daneben
hängt, so bedarf es keines Wortes, daß er auch
bei dieser Gruppe die Führung hat. Noch aus
dem Grabe reckt sich die Faust dieses Riesen
gebieterisch auf.

Im Ganzen hingen in der Ausstellung nicht
weniger als 35 Selbstporträts. Manches Ent-
täuschende, Flüchtige dabei. Aber dann wieder
bemerkte man, wie Einzelne seit Jahren kein
so gutes Bild herausgebracht haben wie dies
Spiegelkonterfei. Und gleich neben Corinth
stellte sich die Leinwand, auf der Lesser Ury
sein durch Jahre und arge Krankheit mitge-
nommenes Antlitz unerbittlich festnagelte. Wir
fühlten den erregenden Prozeß, der sich voll-
zog: wie ein Künstler in der Leidenschaft der
Arbeit seine eigne physische Person vollkom-
men objektivieren kann.

Besonders amüsierte sich das Berliner Publi-
kum über die Darstellungen bekannter Personen
aus der weiteren Künstlerschaft: über den in
lichten, transparenten Farben ausgezeichnet

XXXIV. Juli 1931. 2
 
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