Metaphorik des Lebens
trocken aus, was man darüber sagt, und doch
steht dabei das Leben selbst in Frage . ." Wir
danken ihm für diesen Appell.
Es sollte uns längst zu denken geben, daß die
zeitgemäße Seelenforschung bereits die Bedeu-
tung des Bildhaften innerhalb eines gesunden
Ablaufes seelischer und leiblicher Funktionen
anzuerkennen beginnt und Begriffe geprägt hat,
die aus der anschaulich formalen Weltgenommen
sind. Bisher hat sich unsere Aufmerksamkeit
ausschließlich der konzeptiven, also negativen
Seite unseres geistigen Vermögens, dem Ver-
stände zugekehrt. Nun beginnt man endlich der
positiven Triebkraft genauere Beachtung zu
schenken, da sich überall Symptome falscher
Willens-Schaltungen bemerkbar machen. Wenn
wir von diesem Standpunkte aus das Problem
der Kunst schärfer ins Auge fassen, dann wird
uns klar, daß das bildnerische Schaffen erst jetzt
eine b e wußte Rechtfertigung erfährt. Schon
zutiefst im Lebens-Funktionellen spielt das Bild-
nerische eine nicht auszuschaltende Rolle. Der
von bloßen Verstandes-Gründen niemals nach-
haltig zu beeindruckende Wille erfährt eine
Bannung durch das Bild, ja erliegt unter Um-
ständen dem Zwange, dieses Bild in der Vor-
stellung unausgesetzt wiederholen zu müssen,
selbst unter Entfesselung qualvoller Angstzu-
stände. Die ewig rastlosen Bildekräfte sind in
jedem am Werke, und Künstlerschaft bedeutet
nur die Fähigkeit zu höherer, weil mittelbarer
Wiedergabe.
Wir vergessen allzuleicht, daß das seelisch-
geistige Geschehen ein Widerspiel kosmischer
Kräfte ist, daß Emanation und Konzeption in
unendlicher Vielfalt auch in uns wirksam sind
und die gegebene Gesetzmäßigkeit des Seins
unserer bewußten und freiwilligen, nicht
zwangswilligen Mitarbeit bedarf, da sonst die
unverarbeiteten Restbestände Reibungen im
Gleiten der Erscheinungen hervorrufen.
Betrachten wir daraufhin die erzieherischen
Bestrebungen der Menschen! Wissenschaftliche
Systeme und Lehrmethoden bringen eine Schu-
lung und Schärfung des Verstandes. Unsere
geistige Fassungskraft ist so beschaffen, daß
sie der Aufnahme eines abstrakten Schemas
fähig ist und das ihr Zugeführte — begriffen —
wieder in Schema, Abstraktion und Akzentuie-
rungumsetzt. Der Wille aber ist nicht aufnahme-
fähig, sondern als positive Kraft ein geschlosse-
nes Triebvermögen; zu seinem Wesentlichen
gehört Einheitlichkeit und Ent-Scheidung; der
für ihn wirksame Reiz geht gleichfalls vom Ein-
heitlichen aus, vom kollektiv Formalen. Die ge-
fügte, synthetisch bildmäßige höhere Ordnung
wird dem Willenselement im Menschen nur von
der Kunst in anschaulicher Weise darge-
boten. Begeben wir uns der Kunst und miß-
achten wir die zu ihr naturgemäß mehr oder
minder Berufenen, so begeben wir uns einer
unentbehrlichen Helferin. Unser Körperliches
wird, da es unmittelbares Wort, erster Ausdruck
des seelischen Lebens ist, die Folgen der Kunst-
losigkeit (wie die der Gottlosigkeit) nicht auf
ewig verbergen können. Auf bisher ungeahnten
Wegen müssen wir dem Verdrängten wieder
begegnen. Dämonie und infernalische Gebilde
werden uns mit unerträglicher Trübsal belasten
und hartnäckig ängstigen. Es ist kein patheti-
sches Prophezeien mehr nötig, um auf diese
Dinge hinzuweisen, da die jüngste der Heil-
wissenschaften, die Psycho-Therapeutik, der
Lebensdrosselung auf allen Gebieten entgegen-
arbeitet und Begriffe wie Symbol, Bild und Be-
wußtheit, die in Bezogenheit zu den Determi-
nationen Ethik, Aesthetik und Logik stehen,
vollwertig in ihre Terminologie aufgenommen
hat. Wir sprechen sehr bezeichnenderweise auch
von einer ärztlichen Kunst, und mit einem ge-
wissen Recht, da ja der Arzt im Dienste der
Erhaltung und Wiederherstellung des unmittel-
baren natürlichen Gebildes tätig ist. Auf diesem
Gebiete der Forschung und Wirksamkeit wird
bereits ein Zusammengehen von wissenschaft-
licher Analyse und heilkünstlerischer Synthese
klar ersichtlich.
Das Gesetz der polaren Wechselbezüglich-
keit erfährt heute eine Erhebung auf seelisch-
geistiges Gelände; man kann es zwar als solches
im Flusse der Erscheinungen noch immer ver-
kennen, aber nie mehr prinzipiell ausschalten.
Auf der Erkenntnis des lückenlosen Ineinander-
greifens der Grund-Kräfte zum Zwecke des Le-
bens, wird die neue Ethik beruhen; an dieser
Gewißheit muß auch die Kunst unserer Tage
genesen und neuerstarkt jene sublimen Gleich-
nis-Formen schaffen, die selbst das unmittelbare
Leben emporzwingen wie die Kraft der Sonne
die grünende Pflanze.
Wo aber heute die Frage nach Sein oder
Nicht-Sein der Mittlerin Kunst aufgeworfen
wird, da wird man schon morgen die viel schwer-
wiegendere nach Sein oder Nicht-Sein der Seele
aufwerfen, nach Sein oder Nicht-Sein ihrer na-
türlichen Ausdrucksform, unseres als Zeichen
und Bild gesetzten Menschenleibes. Wir stünden
dann wahrhaftig vor einer Lage der Dinge, die
„gleichbedeutend wäre mit dem Untergang des
Menschentypus, in den wir hineingeboren sind
und auf den alles, was wir heute reden, tun und
denken, bezogen ist . ." olga konecny-muxacz.
352
trocken aus, was man darüber sagt, und doch
steht dabei das Leben selbst in Frage . ." Wir
danken ihm für diesen Appell.
Es sollte uns längst zu denken geben, daß die
zeitgemäße Seelenforschung bereits die Bedeu-
tung des Bildhaften innerhalb eines gesunden
Ablaufes seelischer und leiblicher Funktionen
anzuerkennen beginnt und Begriffe geprägt hat,
die aus der anschaulich formalen Weltgenommen
sind. Bisher hat sich unsere Aufmerksamkeit
ausschließlich der konzeptiven, also negativen
Seite unseres geistigen Vermögens, dem Ver-
stände zugekehrt. Nun beginnt man endlich der
positiven Triebkraft genauere Beachtung zu
schenken, da sich überall Symptome falscher
Willens-Schaltungen bemerkbar machen. Wenn
wir von diesem Standpunkte aus das Problem
der Kunst schärfer ins Auge fassen, dann wird
uns klar, daß das bildnerische Schaffen erst jetzt
eine b e wußte Rechtfertigung erfährt. Schon
zutiefst im Lebens-Funktionellen spielt das Bild-
nerische eine nicht auszuschaltende Rolle. Der
von bloßen Verstandes-Gründen niemals nach-
haltig zu beeindruckende Wille erfährt eine
Bannung durch das Bild, ja erliegt unter Um-
ständen dem Zwange, dieses Bild in der Vor-
stellung unausgesetzt wiederholen zu müssen,
selbst unter Entfesselung qualvoller Angstzu-
stände. Die ewig rastlosen Bildekräfte sind in
jedem am Werke, und Künstlerschaft bedeutet
nur die Fähigkeit zu höherer, weil mittelbarer
Wiedergabe.
Wir vergessen allzuleicht, daß das seelisch-
geistige Geschehen ein Widerspiel kosmischer
Kräfte ist, daß Emanation und Konzeption in
unendlicher Vielfalt auch in uns wirksam sind
und die gegebene Gesetzmäßigkeit des Seins
unserer bewußten und freiwilligen, nicht
zwangswilligen Mitarbeit bedarf, da sonst die
unverarbeiteten Restbestände Reibungen im
Gleiten der Erscheinungen hervorrufen.
Betrachten wir daraufhin die erzieherischen
Bestrebungen der Menschen! Wissenschaftliche
Systeme und Lehrmethoden bringen eine Schu-
lung und Schärfung des Verstandes. Unsere
geistige Fassungskraft ist so beschaffen, daß
sie der Aufnahme eines abstrakten Schemas
fähig ist und das ihr Zugeführte — begriffen —
wieder in Schema, Abstraktion und Akzentuie-
rungumsetzt. Der Wille aber ist nicht aufnahme-
fähig, sondern als positive Kraft ein geschlosse-
nes Triebvermögen; zu seinem Wesentlichen
gehört Einheitlichkeit und Ent-Scheidung; der
für ihn wirksame Reiz geht gleichfalls vom Ein-
heitlichen aus, vom kollektiv Formalen. Die ge-
fügte, synthetisch bildmäßige höhere Ordnung
wird dem Willenselement im Menschen nur von
der Kunst in anschaulicher Weise darge-
boten. Begeben wir uns der Kunst und miß-
achten wir die zu ihr naturgemäß mehr oder
minder Berufenen, so begeben wir uns einer
unentbehrlichen Helferin. Unser Körperliches
wird, da es unmittelbares Wort, erster Ausdruck
des seelischen Lebens ist, die Folgen der Kunst-
losigkeit (wie die der Gottlosigkeit) nicht auf
ewig verbergen können. Auf bisher ungeahnten
Wegen müssen wir dem Verdrängten wieder
begegnen. Dämonie und infernalische Gebilde
werden uns mit unerträglicher Trübsal belasten
und hartnäckig ängstigen. Es ist kein patheti-
sches Prophezeien mehr nötig, um auf diese
Dinge hinzuweisen, da die jüngste der Heil-
wissenschaften, die Psycho-Therapeutik, der
Lebensdrosselung auf allen Gebieten entgegen-
arbeitet und Begriffe wie Symbol, Bild und Be-
wußtheit, die in Bezogenheit zu den Determi-
nationen Ethik, Aesthetik und Logik stehen,
vollwertig in ihre Terminologie aufgenommen
hat. Wir sprechen sehr bezeichnenderweise auch
von einer ärztlichen Kunst, und mit einem ge-
wissen Recht, da ja der Arzt im Dienste der
Erhaltung und Wiederherstellung des unmittel-
baren natürlichen Gebildes tätig ist. Auf diesem
Gebiete der Forschung und Wirksamkeit wird
bereits ein Zusammengehen von wissenschaft-
licher Analyse und heilkünstlerischer Synthese
klar ersichtlich.
Das Gesetz der polaren Wechselbezüglich-
keit erfährt heute eine Erhebung auf seelisch-
geistiges Gelände; man kann es zwar als solches
im Flusse der Erscheinungen noch immer ver-
kennen, aber nie mehr prinzipiell ausschalten.
Auf der Erkenntnis des lückenlosen Ineinander-
greifens der Grund-Kräfte zum Zwecke des Le-
bens, wird die neue Ethik beruhen; an dieser
Gewißheit muß auch die Kunst unserer Tage
genesen und neuerstarkt jene sublimen Gleich-
nis-Formen schaffen, die selbst das unmittelbare
Leben emporzwingen wie die Kraft der Sonne
die grünende Pflanze.
Wo aber heute die Frage nach Sein oder
Nicht-Sein der Mittlerin Kunst aufgeworfen
wird, da wird man schon morgen die viel schwer-
wiegendere nach Sein oder Nicht-Sein der Seele
aufwerfen, nach Sein oder Nicht-Sein ihrer na-
türlichen Ausdrucksform, unseres als Zeichen
und Bild gesetzten Menschenleibes. Wir stünden
dann wahrhaftig vor einer Lage der Dinge, die
„gleichbedeutend wäre mit dem Untergang des
Menschentypus, in den wir hineingeboren sind
und auf den alles, was wir heute reden, tun und
denken, bezogen ist . ." olga konecny-muxacz.
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