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Ness, Wolfgang
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 2): Stadt Hannover — Braunschweig, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.44415#0168

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DAS INDUSTRIEGEBIET
Der günstige Anschluß an die Bahnlinie (seit
1872 die Altenbekener Eisenbahn, ab 1909
die Güterumgehungsbahn) schuf auch in
Ricklingen die Voraussetzung für die Indu-
striesiedlung, die sich insbesondere im Be-
reich zwischen Göttinger Chaussee, Bücke-
burger Allee und dem Tönniesberg vollzog.
Die 1899 gegründete Hannoversche Wag-
gonfabrik (HAWA) entwickelte sich in den Fol-
gejahren zum größten Industriebetrieb in die-
sem Bereich. Von den bedeutenden Bauten,
die Peter Behrens in den Jahren des Ersten
Weltkrieges für die Fabrik errichtete, sind heu-
te leider nur noch wenige Fassadenreste am
Schlorumpfsweg erhalten.
Nachfolger der HAWA sind heute die Leicht-
metall- und die Edelstahlwerke.
Ein ungewöhnlicher Villenbau entstand 1923
an der damaligen Hamelner Chaussee (heute
Am Tönniesberg 1), der wohl ursprünglich in
enger räumlicher Verbindung mit den Werks-
anlagen des Erbauers stand, einem Faßher-
steller und Tankstellenbesitzer. Das Haus ist
ein großer, zweigeschossiger Backsteinbau,
der durch Steingußdekor geschmückt ist. Der

Friedrich-Ebert-Platz, 1927-29,
Architekten A. Haro/ F.W. Schick


zur Straße gelegene monumentale Hauptein-
gang wird als risalitartiger Bauteil hervorgeho-
ben und von Halbsäulen in Kolossalordnung
flankiert. Die nach Süden orientierte schmale
Hauptfassade ist von seitlichen Rundtürmen
mit Kuppelabschluß deutlich markiert. Ein
durch zwei Bögen geöffneter altanartiger Vor-
bau mit darüberliegendem Balkon bildet die
Mitte der symmetrischen Schauseite. Die Ver-
bindung beider Bögen betont die vollplasti-
sche Figur des Merkur.
STADTTEILERWEITERUNG IN DEN
ZWANZIGER JAHREN
In den Jahren 1925/26 wurde aufgrund eines
Wettbewerbes ein Bebauungsplan für ein
neues Wohngebiet aufgestellt, das auf dem
ehemals zur HAWA gehörenden Gelände zwi-
schen Bahnlinie, Ricklinger Stadtweg, Pfarr-
straße und Göttinger Chaussee entstehen
sollte. Bis auf das Gebiet zwischen Konrad-
Hänisch-Straße und Pfarrstraße wurde der
Plan in den Jahren 1927-1931 entsprechend
den Vorgaben ausgeführt. Es entstand eines
der typischen Wohngebiete der zwanziger
Jahre, die gleichzeitig auch in anderen hanno-


Göttinger Chaussee 12, Haupteingang
der Leichtmetallwerke, um 1930

versehen Stadtteilen (Südstadt, List, Vahren-
wald u.a.) die große Wohnungsnot beseitigen
sollten.
Vorherrschend ist auch in Ricklingen die
Blockbebauung mit durchgrünten Innenhöfen,
Klinkerbauweise mit ausgeprägter Gestaltung
der Eckbauten und die Einbindung von Platz-
anlagen mit Grünflächen und Spielplätzen.
Zwei Bereiche ragen aus der Gesamtbebau-
ung besonders heraus und sind innerhalb der
hannoverschen Planungen aus dieser Zeit als
individuelle städtebauliche Leistungen zu be-
werten.
1927 bis 1929 erfolgt im nördlichen Bauab-
schnitt die Anlage des Friedrich-Ebert-Platzes
zwischen Ricklinger Stadtweg und Friedrich-
Ebert-Straße. Die vom Spar- und Bauverein
Hannover ausgeführten Bauten entstanden
nach Entwürfen der Architekten Adolf Haro
und F.W. Schick.
Der Platz wird im Norden von einer geschlos-
senen Zeilenbebauung eingefaßt, im Osten
schiebt sich der Block Ricklinger Stadtweg/
Heinrich-Meister-Allee in den Platz hinein und
läßt zur nördlichen Zeile nur eine schmale
Durchfahrt zum Ricklinger Stadtweg frei. Der
südliche, leicht konkav geschwungene Platz-
rand wird von den zwei Schmalseiten der Bau-
blöcke zwischen Heinrich-Meister-Allee, Be-
belstraße und Friedrich-Ebert-Straße ge-
bildet. Alle Gebäude sind ausschließlich in
Klinker ausgeführt; viergeschossige Bauten
mit Walmdächern sind vorherrschend. Eine
Ausnahme bildet der Mittelbau der Nordseite,
der in Form eines Risalits aus der Bauflucht
vorspringt, fünf Geschosse aufweist und
durch ein eigenes Walmdach abgeschlossen
ist (Nr. 12). Die Einmündungen der Seitenstra-
ßen sind durch Vorziehen aus der Bauflucht,
Arkadengänge, Dreieckserker oder besonde-
ren Dekor deutlich markiert. Die Gebäude der
nördlichen Platzfront sind mit breiteren Erkern
in gleichmäßigen Abständen rhythmisch be-
tont (Nr. 2-18). Die Mittelachse von Nr. 12,
die das Treppenhaus aufnimmt, besitzt eine
pilasterartige Verzierung aus Klinkermustern.
Zickzackbänder aus Klinkern in der Fenster-
zone sind ebenso markantes Merkmal der ge-
samten Platzbebauung wie die Rundbogen-
fenster in den Erdgeschossen. Die Platzanla-
ge ist heute überwiegend als gepflasterte Flä-
che gestaltet, die durch kleine Grünflächen
und Beete aufgelockert wird. Der „Fischbrun-
nen“ kennzeichnet die Mitte des Freibereichs.
Die zweite bedeutende Anlage entstand um
1931 zwischen der Friedrich-Ebert-Straße
und der Göttinger Chaussee. Gegenüber der
Einmündung der Konrad-Hänisch-Straße und
als deren Verlängerung nach Westen ist die
Zeilenbebauung der Friedrich-Ebert-Straße
zu einer hofartigen Erweiterung ausgebildet
(Nr. 24-42). Ein rechteckiger, terrassenför-
mig ansteigender Platz leitet zur Bebauung an
der Göttinger Chaussee über. Kleine Stich-
straßen begleiten die mittige baumbestande-
ne Grünfläche zu beiden Längsseiten. An der
schmalen Kopfseite des Platzes bilden zwei
podestartige Terrassen mit symmetrisch an-
gelegten Treppenläufen, zur ersten Terrasse
jeweils außen, zur zweiten in der Mitte, eine
optische Begrenzung. Gleichzeitig führt die
Anlage zu einem arkadenartigen Durchgang,
der die Verbindung mit der Göttinger Chaus-


Friedrich-Ebert-Platz 14, Wohnhaus, um 1928.
Architekten A. Haro / F.W. Schick

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