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Ness, Wolfgang
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 2): Stadt Hannover — Braunschweig, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.44415#0175

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heute Berufsschule). Durch die Judenverfol-
gung im Nationalsozialismus wurde die Arbeit
abgebrochen. 1939 übernahm die von den
Nazis eingesetzte Zwangsorganisation der
Juden, die Reichsvereinigung der Juden
Deutschlands, das Anwesen. Ab 1941 wurden
hier die Deportationszüge zusammengestellt,
die vom Bahnhof Fischerhof in Linden-Süd vor
allem nach Riga und Auschwitz abtranspor-
tiert wurden. 1943 richtete die Gestapo im
ehemaligen Direktorenhaus eine „Ausweich-
stelle“ mit Geschäftsräumen und Gefängnis-
zellen ein; in der verschwundenen Laubhütte
der jüdischen Schule stand der Galgen. Am
Kriegende konnten die AIlierten noch 27 jüdi-
sche Überlebende, die letzten von Hannover,
aus dem ehemaligen Haus des Obergärtners
befreien. - Die Gebäude der ehemaligen
Gartenbauschule zeugen eindrücklich wie
kaum ein anderes Bauwerk von der Geschich-
te des deutschen Judentums in diesem Jahr-
hundert; zum Aspekt der Emanzipation und
der zionistischen Auswanderungsbewegung
nach Palästina gehört hier untrennbar der
Aspekt der Vernichtung der Juden durch die
deutschen Nationalsozialisten und ihre Hand-
langer.

Westlich der Heidebahn, nördlich des Kanals
liegt das alte Dorf Vinnhorst, zu dem noch ein
Gutteil landwirtschaftlich genutzten Geländes
im Nordwesten gehört.
DAS DORF
Vor dem Bau des Mittellandkanals war die
Vinnhorster Gemarkung von zahlreichen
Feuchtgebieten und Gräben durchzogen (Lei-
neurstromtal) und wurde wie die übrige Meck-
lenheide vorwiegend als Weide genutzt. Auf
zwei weitgehend trockenen, leicht erhöhten
Bodenwellen ließen die Herren von Roden im
12. Jh. (?) zwei Meierhöfe (Dorelhof und Vyn-
horst) anlegen, die in der Mitte der 13. Jh. an
die Welfen fielen, die den einen (Vynhorst)
den Stiften St. Spiritus und St. Nicolai in Han-
nover überschrieben.
Im 15. Jh. erfolgte die Zweiteilung dieses Ho-
fes. Bis zum 18. Jh. zweigte man von den Mei-
erhöfen sieben Köter- und eine Anbauernstel-
le ab; als letzte wurde 1705 eine Schulstelle
eingerichtet. So bestand das Dorf Vinnhorst,
das nach Engelbostel eingepfarrt war, im 18./
19. Jh. aus elf Stellen. Aus dieser Zeit haben
sich im heute durch Neubauten überformten

Dorf, dessen aktuelles Wegenetz erst in Folge
der Verkoppelung 1845 und später entstand,
einige Gebäude erhalten. Das älteste ist eine
direkt an der Straße Alt Vinnhorst stehende
Durchfahrtsscheune von 1734 (Alt Vinnhorst
125). Es handelt sich um einen Dreiständer-
bau mit rechts angelegter Kübung. Das Ge-
rüst - Unterrähmzimmerung, Kopfbänder in-
nen z.T. vorhanden - hat sich relativ gut er-
halten. Die Giebel - einfach vorkragend über
Balkenstummeln auf profilierten Knaggen -
wurden wohl später erneuert und weitgehend
verbreitert.
Die Scheune gehört zu dem Dorelhof. Von ihm
hat sich abseits der Straße das Altenteiler-
haus (Alt Vinnhorst 129) von 1817 erhalten,
ein Vierständerbau mit durchlaufender Traufe
und 11/2-stöckigem Wohnteil. Der dreimal
ganz leicht vorkragende Wirtschaftsgiebel hat
die alte Bohlenfüllung.
Ursprünglich eine Köterstelle zum Dorelhof
bildete das Grundstück Alt Vinnhorst 105, auf
dem ein umgenutztes Wohnwirtschaftsge-
bäude steht. Für die Datierung 1779 erscheint
die Zweiständerkonstruktion mit seitlichen
Kübbungen ziemlich altertümlich. An der

45 VINNHORST

Die Grenze des Stadtteils folgt der Schulen-
burger Landstraße vom Erlenweg bis zur 1937
fertiggestellten Autobahn, von hier der Auto-
bahn nach Osten bis zur 1890 eingeweihten
„Heidebahn“, dann nach Süden der Brinker
Hafenbahn/Max-Müller-Straße/Mittellandka-
nal, dann nach Westen dem Erlenweg bis zur
Schulenburger Landstraße.
Das Gebiet des 1974 nach Hannover einge-
meindeten Stadtteils (zunächst gehörte er
zum Go Engelbostel, später zum Amt Langen-
hagen, nach der preußischen Kreisreform
1885 zum Landkreis Hannover, ab 1903 als
selbständige Landgemeinde) durchschnei-
den der seit 1897 geplante, 1916/17 fertigge-
stellte Mittellandkanal und die 1890 einge-
weihte „Heidebahn“ (Hannover-Walsrode).
Über den Kanal führen vier Straßen- und eine
Eisenbahnbrücke (von Süd nach Nord: Frie-
denauer Straße, Beneckeallee, Heidebahn-
Alt Vinnhorst, Schulenberger Landstraße),
zum Bahndamm gehören vier Unterführungen
(von Süd nach Nord: Schulenburger Landstra-
ße, Birkenallee, Beneckeallee, südlich der
Autobahn).
Diese sich kreuzenden Verkehrswege viertei-
len den Stadtteil. In dem Gebiet zwischen
Schulenburger Landstraße und Kanal findet
sich vorwiegend Wohnbebauung: Bereits um
die Jahrhundertwende entstanden an der
Landstraße einige Gebäude; in den zwanzi-
ger/dreißiger Jahren legte man in der Nähe
und weiter südlich Siedlungen an (z.B. zwi-
schen Erlenweg und Hartungstraße); das
Gros der Häuser stammt jedoch aus der
Nachkriegszeit. Nördlich des Kanals, östlich
der Heidebahn ließen sich ab 1887 (Zweig-
werk der Firma Benecke) Gewerbebetriebe
nieder; im Zusammenhang mit dem Hafen
entwickelte sich hier ein Industriegebiet, das
den heute abgetrennten Stadtteil Brink-Hafen
umfaßt und bis an die Vahrenwalder Straße
reicht.

Wunstorfer Landstraße 5, Israelitische
Gartenbauschule, Wohnheim mit Schule, um 1892


Friedenauer Straße, Brücke überden Mittellandkanal, um 1912



Harenberger Straße 130, Israelitische
Gartenbauschule, Pförtnerhaus

Beneckeallee, Brücke über den
Mittellandkanal, um 1912


Alt-Vinnhorst 125, Scheune, 1734


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