Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Twachtmann-Schlichter, Anke [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 14,1): Stadt Hildesheim: mit den Stadtteilen Achtum, Bavenstedt, Drispenstedt, Einum, Himmelsthür, Itzum, Marienburg, Marienrode, Neuhof, Ochtersum, Sorsum, Steuerwald und Uppen — Hameln, 2007

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44417#0203
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
teren Tores am Lappenberg, des Neuen Tores,
im Volksmund auch Nadelöhr genannt. Nach
Verstärkungen der Befestigungsanlagen im 16.
und 17. Jh. erfolgte schon in der zweiten Hälfte
des 18. Jh. Schritt für Schritt die Umnutzung
der Wehranlagen, da sie als Verteidigungsanla-
gen überflüssig wurden. Eng verbunden mit der
westfälischen Herrschaft zu Beginn des 19. Jh.
ist die weitere Entwicklung des Weichbildes
und damit die Aufgabe des alten Festungscha-
rakters der Stadt. Die ehemaligen Befesti-
gungsanlagen hatten nicht nur militärisch ihre
Bedeutung verloren, sie wurden auch für die
Stadt aufgrund der ständigen Erhaltungsmaß-
nahmen zu einer erheblichen finanziellen Be-
lastung. Begannen erste Maßnahmen zur
Schleifung bereits in der zweiten Hälfte des
18. Jh., wie beispielsweise Teile der Neustädter
Befestigung am Goschentor, so erfolgten wei-
tere unter westfälischer Herrschaft zu Beginn
des 19. Jh. Die dafür im Jahre 1809 eigens ins
Leben gerufene Wallabtragungsgesellschaft
wurde mit der Durchführung der Beseitigung
der äußeren Befestigung beauftragt. In den
nächsten Jahren sollte auch die Niederlegung
des Walles zwischen Goschentor und Kehr-
wiederturm erfolgen, diese wurde glücklicher-
weise unterlassen. Statt dessen ebnete man
auf allen Wällen die erhöhten Brustwehre ein.
Aus finanziellen Gründen wurde in den Jahren
1816-19 eine Wallpromenade angelegt, die
Gräben wurden zum Teil zu Fischereizwecken
verpachtet und die Hänge zur Beweidung
genutzt. Es erfolgte eine Neugestaltung des
gesamten Wallgürtels nach modernen städte-
baulichen Gesichtspunkten. Ein Verschöne-
rungsverein im Jahre 1878 mit dem Ziel ge-
gründet, den Grüngürtel der Stadt als Erho-
lungsgebiet zu gestalten, errichtete ein Jahr
später das heute noch in seinen Formen nach-
vollziehbare Rondell über dem Nadelöhr. Im
Zuge dessen entstand gleichfalls die Aus-
sichtsplattform, die sowohl den Blick zu St.
Godehard als auch zum Lappenberg mit dem
Kehrwiederturm und zum Weinberg ermög-
lichte.
Der sich nach Süden erstreckende Dyes-Park,
heute Ernst-Ehrlicher-Park, wird im Norden
vom Kehrwiederwall, im Osten vom Straßenzug
„Weinberg“ und im Westen durch den Mühlen-
graben begrenzt. Großzügig geschnitten, orien-
tierte sich die Anlage weitgehend am Stil der
englischen Landschaftsgärten. Einfluss in die
Gestaltung fand sicherlich auch der Bremer
Bürgerpark, da Ludwig Dyes Jahrzehnte in
dieser Stadt lebte. Die vielfältigen Nutzungs-
formen der Gartenanlage waren gemäß ihrer
Funktion in verschiedene Bereiche geteilt, aus
denen sich die unterschiedlichen Landschafts-
flächen erschließen. Das Hauptgebäude war
von einer recht regelmäßigen Gartenanlage
umgeben. Dahinter erstreckte sich der land-
schaftlich gestaltete Park mit Blick in das
Innerstetal. Die konsequent angelegten Sicht-
achsen und Szenerien mit seinen Gehölz- und
Rasenflächen, aber auch seinen bewaldeten
Randbereichen und Uferzonen sind heute nicht
mehr nachzuvollziehen. Der gesamte Park hat
sich durch Wildwuchs verändert. Mit der Lö-
sung vom Bezugspunkt, der Villa Dyes, hat sich
seit Übergabe an die Öffentlichkeit im Jahre


Hildesheim, Weinberg 1, städtisches Krankenhaus, ehemaliges Verwaltungsgebäude

1929 der Park von seiner ursprünglichen
Konzeption weit entfernt.
Zu der recht heterogenen Gebäudegruppe der
gesamten Anlage gehört das ehemalige
Gärtnerhaus, Weinberg 66, nördlich gelegen
inmitten des Parks am Stadtgraben. Das
zweistöckige Fachwerkgebäude ist möglicher-
weise schon vor dem Verkauf des Gartens
1843 errichtet worden wie zeitgenössische
Zeichnungen vermuten lassen. Heute wird das
Gebäude als Gastronomie genutzt.
Wie bei der Villa Dyes zeichnete Stadtbaurat
Gustav Schwartz ebenfalls für den Entwurf und
die Ausführung des städtischen Kranken-
hauses am Weinberg 1 verantwortlich. Der
Beginn der Bautätigkeit erfolgte im Jahre 1890.
Der gesamte Komplex erstreckte sich von der

Renatastraße parallel zum östlichen Abschnitt
des Kehrwiederwalles bis zum Straßenzug des
Weinberges. Statt eines vielgeschossigen kom-
pakten Baukörpers entschied man sich mit
dem Neubau in Hildesheim für das hochmo-
derne Pavillonsystem, d.h. für eine Vielzahl
kleiner ein- bis zweigeschossiger Bauten in
einer parkähnlichen Umgebung. In Kubatur und
Ausführung folgten die Gebäude im Wesent-
lichen den neuesten Grundsätzen der Human-
medizin bzw. dem Krankenhausbau des 19. Jh.
Von den heute noch denkmalwerten Gebäuden
sind vor allem das ehemalige Verwaltungs-
gebäude zu nennen und der südöstlich gele-
gene Pavillon für Privatpatienten aus dem Jahre
1908, Weinberg 1. Zeigt letzterer doch noch die
Gestaltungsprinzipien der Pavillonanlage: Zum
einen wurde die getrennte Unterbringung der
Kranken aufgrund strengerer medizinisch-

199
 
Annotationen