Hildesheim, Hindenburgplatz 18, 20, Industrie- und Handelskammer
niert. Spitzbogige Pfeilerarkaden mit gestaffel-
ten Dreipassfenstern bestimmen das Erdge-
schoss mit außerordentlich künstlerisch gear-
beiteten Blattwerksdarstellungen. Zwillings-
fenster lockern die Obergeschosse auf, ehe-
mals waren hier die Beamtenwohnungen
untergebracht. Den seitlichen Eingang flankie-
ren zwei Portalfiguren: Germania und die
Hildesheimer Jungfrau. Die nördlichen und
südlichen Giebel präsentieren sich heute in
schlichter Gestalt, die einst vorhandenen
Staffelgiebel wurden ebenso wie das Zwerch-
haus 1968 entfernt.
Der ehemals als Festungsgelände vor dem
Friesentor gelegene Platz am südlichen Ende
der Zingel, seit 1834 bereits Paradeplatz
genannt, trägt seit April 1933 den Namen des
damaligen Reichspräsidenten Paul von Hinden-
burg und wird seit 1950 abkürzend Hinden-
burgplatz genannt. Heute hat dieser Platz
südöstlich am Fuße der Altstadt und nördlich
der Neustadt einen zentralen Charakter und
bildet einen verkehrsreichen Knotenpunkt der
westlichen, nördlichen und südlichen Ausfall-
straßen.
Die Platzgestaltung wird im Wesentlichen durch
das Verwaltungsgebäude der Industrie- und
Handelskammer, Hindenburgplatz 18, 20, be-
stimmt. Das Gebäude entstand 1950/51 nach
den Plänen des Architekten Ernst Gehrkens in
ausgeprägter traditioneller Gestaltung. Das
Gebäudeensemble besteht aus zwei recht-
winklig angelegten Riegeln und einem die bei-
den Flügel verbindenden viergeschossigen
Turm. Unterschiedliche Größe und Dach-
deckung der Gebäude erzeugen einen span-
nungsreichen Kontrast. Wie auch bei der
Handwerkskammer entwarf Gehrkens einen
relativ stringenten Baukörper, der lediglich
aufgelockert wird durch die Achsen und
Faschen der Fenster sowie der Portaleingänge.
Der sich nach Süden erstreckende Flügel und
der in Kubusform sich anschließende Turm
besitzen beide ein mezzaninartiges Oberge-
schoss, abgeschlossen durch ein Kranzgesims
und durch kleine Lisenen gegliedert. Kräftige
Pfeiler im Erdgeschoss vermitteln den Eindruck
eines Laubenganges. Der gesamte Baukörper
erinnert mit seinen Architektur- und Fenster-
formen und seinen ursprünglich verwandten
Materialien an die neoklassizistische Staats-
architektur der 30er Jahre wie auch der plas-
tisch gestaltete Kopf im Sturz des Eingangs-
portales zum Hindenburgplatz.
Steingrubenviertel
Aufgrund der ständig wachsenden Bevölke-
rungszahlen, im Jahre 1864 waren es knapp
18.000, 1900 bereits 42.973 und zehn Jahre
später 50.000 Einwohner, war die Stadt
gezwungen neue Wohnviertel zu schaffen, die
über die Grenzen der mittelalterlichen und
bisweilen schon eingeebneten Befestigung hin-
ausgingen. Östlich der Altstadt entstanden ins-
besondere im Steingrubenviertel gründer-
zeitliche Villen und Mietshäuser, im Wesent-
lichen in einer offenen Blockrandbebauung. Um
ein möglichst stilistisch einheitliches Bild zu
schaffen und die Grundstücke optimal auszu-
nutzen, oblag es meist einem Architekten,
mehrere Parzellen zu bebauen. Häufig zunächst
ohne Auftraggeber erstellt, wurden sie nach der
Fertigstellung veräußert bzw. als Mietshäuser
genutzt.
Durch die Bauten C. W. Hases, hier ist speziell
das heute nicht mehr existente Schulgebäude
Andreanum, das Hildesheimer Traditionsgym-
nasium, zu nennen, entwickelte sich die Stadt
zu einer „Hochburg“ der Hannoverschen Schu-
le. Sicherlich dürfte dabei die Nähe Hannovers
ein weiteres Kriterium gewesen sein. Dennoch
fallen bei den neugotischen Bauten gewisse lo-
kale Eigenheiten auf, beispielsweise die charak-
teristische, an sakrale Vorbilder angelehnte Art
der Giebelgestaltung mit spitzbogiger Blend-
nische und Fensterrose aus Ziegelformsteinen
oder die Werksteinverwendung im Sockel- bzw.
Erdgeschoss. Bekanntester Vertreter und ehe-
maliger Schüler C. W. Hases in Hildesheim ist
seit 1876 Stadtbaurat Gustav Schwartz, der in
der Gartenstraße sein Wohnhaus konsequen-
terweise in diesem Stil errichtete.
Von besonderem gestalterischem Interesse ist
das von 1880-96 in drei Bauphasen erbaute
Wohnhaus von Gustav Schwartz, Gartenstraße
12. Anhand dieses Objektes demonstrierte
Schwartz die Möglichkeit zur Erweiterung sei-
ner geplanten Wohnhäuser. Der relativ kleine
Kernbau wurde bereits 1885/86 durch einen
Torturm mit einem seitlichen Anbau vergrößert.
Durch Aufstockung des Torturmes und des
Mittelbaus 1890/91 und 1896, verbunden mit
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niert. Spitzbogige Pfeilerarkaden mit gestaffel-
ten Dreipassfenstern bestimmen das Erdge-
schoss mit außerordentlich künstlerisch gear-
beiteten Blattwerksdarstellungen. Zwillings-
fenster lockern die Obergeschosse auf, ehe-
mals waren hier die Beamtenwohnungen
untergebracht. Den seitlichen Eingang flankie-
ren zwei Portalfiguren: Germania und die
Hildesheimer Jungfrau. Die nördlichen und
südlichen Giebel präsentieren sich heute in
schlichter Gestalt, die einst vorhandenen
Staffelgiebel wurden ebenso wie das Zwerch-
haus 1968 entfernt.
Der ehemals als Festungsgelände vor dem
Friesentor gelegene Platz am südlichen Ende
der Zingel, seit 1834 bereits Paradeplatz
genannt, trägt seit April 1933 den Namen des
damaligen Reichspräsidenten Paul von Hinden-
burg und wird seit 1950 abkürzend Hinden-
burgplatz genannt. Heute hat dieser Platz
südöstlich am Fuße der Altstadt und nördlich
der Neustadt einen zentralen Charakter und
bildet einen verkehrsreichen Knotenpunkt der
westlichen, nördlichen und südlichen Ausfall-
straßen.
Die Platzgestaltung wird im Wesentlichen durch
das Verwaltungsgebäude der Industrie- und
Handelskammer, Hindenburgplatz 18, 20, be-
stimmt. Das Gebäude entstand 1950/51 nach
den Plänen des Architekten Ernst Gehrkens in
ausgeprägter traditioneller Gestaltung. Das
Gebäudeensemble besteht aus zwei recht-
winklig angelegten Riegeln und einem die bei-
den Flügel verbindenden viergeschossigen
Turm. Unterschiedliche Größe und Dach-
deckung der Gebäude erzeugen einen span-
nungsreichen Kontrast. Wie auch bei der
Handwerkskammer entwarf Gehrkens einen
relativ stringenten Baukörper, der lediglich
aufgelockert wird durch die Achsen und
Faschen der Fenster sowie der Portaleingänge.
Der sich nach Süden erstreckende Flügel und
der in Kubusform sich anschließende Turm
besitzen beide ein mezzaninartiges Oberge-
schoss, abgeschlossen durch ein Kranzgesims
und durch kleine Lisenen gegliedert. Kräftige
Pfeiler im Erdgeschoss vermitteln den Eindruck
eines Laubenganges. Der gesamte Baukörper
erinnert mit seinen Architektur- und Fenster-
formen und seinen ursprünglich verwandten
Materialien an die neoklassizistische Staats-
architektur der 30er Jahre wie auch der plas-
tisch gestaltete Kopf im Sturz des Eingangs-
portales zum Hindenburgplatz.
Steingrubenviertel
Aufgrund der ständig wachsenden Bevölke-
rungszahlen, im Jahre 1864 waren es knapp
18.000, 1900 bereits 42.973 und zehn Jahre
später 50.000 Einwohner, war die Stadt
gezwungen neue Wohnviertel zu schaffen, die
über die Grenzen der mittelalterlichen und
bisweilen schon eingeebneten Befestigung hin-
ausgingen. Östlich der Altstadt entstanden ins-
besondere im Steingrubenviertel gründer-
zeitliche Villen und Mietshäuser, im Wesent-
lichen in einer offenen Blockrandbebauung. Um
ein möglichst stilistisch einheitliches Bild zu
schaffen und die Grundstücke optimal auszu-
nutzen, oblag es meist einem Architekten,
mehrere Parzellen zu bebauen. Häufig zunächst
ohne Auftraggeber erstellt, wurden sie nach der
Fertigstellung veräußert bzw. als Mietshäuser
genutzt.
Durch die Bauten C. W. Hases, hier ist speziell
das heute nicht mehr existente Schulgebäude
Andreanum, das Hildesheimer Traditionsgym-
nasium, zu nennen, entwickelte sich die Stadt
zu einer „Hochburg“ der Hannoverschen Schu-
le. Sicherlich dürfte dabei die Nähe Hannovers
ein weiteres Kriterium gewesen sein. Dennoch
fallen bei den neugotischen Bauten gewisse lo-
kale Eigenheiten auf, beispielsweise die charak-
teristische, an sakrale Vorbilder angelehnte Art
der Giebelgestaltung mit spitzbogiger Blend-
nische und Fensterrose aus Ziegelformsteinen
oder die Werksteinverwendung im Sockel- bzw.
Erdgeschoss. Bekanntester Vertreter und ehe-
maliger Schüler C. W. Hases in Hildesheim ist
seit 1876 Stadtbaurat Gustav Schwartz, der in
der Gartenstraße sein Wohnhaus konsequen-
terweise in diesem Stil errichtete.
Von besonderem gestalterischem Interesse ist
das von 1880-96 in drei Bauphasen erbaute
Wohnhaus von Gustav Schwartz, Gartenstraße
12. Anhand dieses Objektes demonstrierte
Schwartz die Möglichkeit zur Erweiterung sei-
ner geplanten Wohnhäuser. Der relativ kleine
Kernbau wurde bereits 1885/86 durch einen
Torturm mit einem seitlichen Anbau vergrößert.
Durch Aufstockung des Torturmes und des
Mittelbaus 1890/91 und 1896, verbunden mit
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