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Kämmerer, Christian [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0070
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sen). Das Haus ist heute Teil der privaten Ur-
sulaschule, deren Nachkriegsbauten an die
Stelle der älteren Schulanlage getreten sind.
Nördlich angrenzend an das Grundstück der
ehemaligen Töchterschule bildete sich, aus-
gehend von der Baugruppe des ehemaligen
Jesuitenkollegs an der Großen Domsfreiheit,
im Verlauf des 19. und 20. Jh. die Anlage des
Gymnasium Carolinum heraus, dessen Bau-
lichkeiten ein geräumiges Grundstück östlich
des Doms zwischen Domchor und Haseufer
einnehmen (Kleine Domsfreiheit 20, s. auch
S. 64f.). Die aus der mittelalterlichen Dom-
schule hervorgegangene Anstalt, die von
1625 bis 1774 unter der Leitung der Jesuiten
stand, wurde 1802 verstaatlicht. Im Anschluß
an die Dreiflügelanlage des Jesuitenkollegs
erhielt das Carolinum 1822 einen langgezoge-
nen, mit einem Flügel zur kleinen Gasse hinter
dem Domchor gelegenen Erweiterungsbau,
der 1929/31 durch umfangreiche Neubautrak-
te ersetzt wurde. Erweiterungsbauten der
Nachkriegszeit runden heute den Komplex
ab. Die im Hof der Schule aufgestellte überle-
bensgroße Sandsteinfigur Karls des Großen,
auf den die Domschule ihre Gründung zurück-

führt, befand sich ursprünglich als Bauplastik
an dem 1899 im Hof des Carolinum erbauten
und im Kriege zerstörten Aulagebäude.
MARKT
Das Zentrum der bürgerlichen Marktsiedlung,
die sich wohl schon im Verlauf des 9. Jh. im
Westen vor dem Tor des Bischofshofes ent-
wickelt hatte, besaß, wie Grabungen ergeben
haben, bereits im 10. Jh. eine eigene Kirche.
1244 wird ein erstes Rathaus erwähnt, das
sich an der Südwestecke am Ausgang des
Marktes befand und dessen Baulichkeiten
erst im 19. Jh. beseitigt wurden. Seine endgül-
tige Gestalt erhielt der Markt möglicherweise
erst im Zuge einer umfassenden Neugestal-
tung, die etwa gleichzeitig mit dem Neubau
des Rathauses auf der westlichen Schmal-
seite des Platzdreiecks Ende 15./Anfang 16.
Jh. anzusetzen ist. Damals entstanden die
Reihen steinerner Giebelhäuser der Osna-
brücker Kaufleute, die ursprünglich noch weit
einheitlicher als heute die Erscheinung des
Marktes bestimmten. Mit Rathaus, Stadtwaa-
ge und (nicht erhaltenem) Legge- und Akzise-
haus (1619/22) konzentrierten sich auf dem

Marienkirche von Süden


Markt die wichtigsten Verwaltungs- und Ge-
werbeeinrichtungen der Bürgerstadt.
Das Gesicht des Platzes hatte bereits im Ba-
rock und Klassizismus durch vereinzelte
Umbauten älterer Giebelhäuser erste Verän-
derungen erfahren. Schwerer wiegende Ein-
griffe stellten Neubauten dar, die im Verlauf
des 19. Jh. zwischen die Zeilen der überwie-
gend noch spätgotisch geprägten Giebelhäu-
ser traten. Die Stelle des ersten Rathauses an
der Südwestecke nahm in der ersten Hälfte
des 19. Jh. das repräsentative städtische Kas-
sengebäude ein, das nach dem Krieg zum
Nachteil des Platzeindrucks beseitigt wurde.
In der zweiten Jahrhunderthälfte wurde eine
Anzahl älterer Giebel durch Geschäftshaus-
neubauten ersetzt, die jedoch die kleinteilige
Parzellenstruktur noch wahrten. Nach den
Zerstörungen des Luftkrieges, die die gesam-
te Bebauung des Marktes betrafen, wurden
die Hauptbauten mit Kirche, Rathaus und
Stadtwaage wiederhergestellt und die Zeile
der Kaufmannshäuser auf der Südseite des
Platzes zum großen Teil wiederaufgebaut
bzw. im Sinne spätgotischer Giebelhäuser
des 16. Jh. rekonstruiert. Leider ist die Süd-
westecke des Marktes durch den eine Anpas-
sung verweigernden Neubau der Stadtverwal-
tung städtebaulich gestört.
Marienkirche
Die Nordseite des Platzdreiecks wird von der
evang.-luth. Pfarrkirche St. Marien eingenom-
men. Am Ort einer ersten Marktkirche, die ver-
mutlich dem 10. Jh. angehörte, wurde wohl in
der zweiten Hälfte des 11. Jh. ein Kirchenbau
errichtet, dessen Gestalt sich aus Grabungs-
befunden als querschiffslose dreischiffige Ba-
silika mit drei Apsiden und querrechteckigem
sächsischen Westriegel erschließen läßt. Der
Turm dieser Kirche, der zugleich als Wehr-
turm eingerichtet war, ist im unteren Teil des
heutigen Turmbaus noch erhalten geblieben.
Die Architekturformen der oberen Geschosse
des bestehenden Turms lassen vermuten,
daß dieser in der ersten Hälfte des 13. Jh. er-
höht wurde, möglicherweise ohne daß man
zunächst ein neues Langhaus errichtete. Die-
ses entstand Ende des 13./Anfang des 14. Jh.
(Hauptbauzeit 1280-1300) als eine über fast
quadratischem Grundriß aufgeführte drei-
schiffige Halle von drei Jochen, deren Seiten-
schiffe zu beiden Seiten des Turms um ein
weiteres Joch bis zur Turmflucht nach Westen
vorgezogen wurden und dadurch den älteren
Turmbau in den Neubau einbezogen. Wäh-
rend im Innern die Gestalt der Choreckpfeiler
(Pfeiler über quadratischem Grundriß mit ein-
gestellten Eckdiensten, vgl. St. Johann) auf ei-
ne ältere Planung mit geringerer Raumhöhe
weisen, entstand schließlich, als eine Schöp-
fung der reifen Gotik, die in die Höhe streben-
de Halle, die an die Hallendome von Pader-
born und Minden anschließt. Stark plastische
Bündelpfeiler mit einer durch naturalistische
Blattkapitelle kräftig betonten Kapitellzone,
entsprechende Vorlagen an den Wänden der
Seitenschiffe und Kreuzrippengewölbe geben
dem Langhaus eine klare und straffe räumli-
che Gestaltung. Der Außenbau wird durch
Strebepfeiler, die zwischen den Giebeln der
Seitenschiffsdächer in Fialen auslaufen, ein-

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