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Kämmerer, Christian [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0075
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der Stadt während des Dreißigjährigen Krie-
ges erbaut wurde. Der bescheidene einge-
schossige Fachwerkbau, dessen Giebel über
geschwungenen und profilierten Konsolen-
knaggen zweimal vorkragt und leicht in den
Platz vorspringt, vermag noch am ehesten ei-
ne Vorstellung von der Bebauung zu geben,
die einst den Charakter des Vitihofes be-
stimmte. Den allmählichen Wandel der Stadt-
gestalt im 19. Jh. bei gleichzeitiger Wahrung
der kleinteiligen Parzellenstruktur illustrieren
Nr. 4/5 und 6 auf der Nordseite des Platzes.
MÜHLENSTRASSE
Die von der Hasestraße abzweigende Straße
führte zu der einst am Nordostende der Dom-
immunität gelegenen Bischofsmühle. Die
Mühle wird 1240 erstmals genannt und gehör-
te, wie die ehemals am südöstlichen Ende der
Freiheit befindliche Mühle des Domkapitels,
zu den ältesten Mühlen der Stadt. Ihre Lage
zum Bischofshof erklärt sich daraus, daß sie
sich in ihrem Ursprung vermutlich am Poggen-
bach befunden hatte, der in den Anfängen der
Stadt von Westen her aus der Wüste heran-
führte und nördlich des Bischofshofes in die
Hase mündete. Erst später, wohl im 14. Jh.,
verlegte man die Mühle an die Hase, die durch
ein Wehr aufgestaut wurde. Ein Weg, der öst-
lich der Großen Domsfreiheit verlief, verband
in damaliger Zeit Mühle und Bischofshof. Der
Mühle benachbart befand sich im Mittelalter
die Honpforte, eines jener Tore der Altstadt,
die im 16. Jh. im Zuge der Verstärkung des
Befestigungsgürtels der Stadt geschlossen
wurden. Zur Sicherung dieser Pforte stand
schon im 13. Jh. auf dem jenseitigen Haseufer
der Pernickelturm (Mühlenstraße 6A, s. S. 57).
Die aus dem bischöflichen Besitz hervorge-
gangene Mühlenanlage stellte noch zu Ende
des 19. Jh. eine malerische Baugruppe an der
Hase dar, die 1892 von der Stadt, die sie we-
nig zuvor erworben hatte, durch das heutige,
relativ nüchtern wirkende Mühlenhaus und
Wehr der Pernickelmühle ersetzt wurde. Das
viergeschossige Mühlengebäude, das sich
über einem hohen Bruchsteinsockel am Fluß-
ufer erhebt, wurde als einfacher unverputzter
Bruchsteinbau mit Ziegeleinfassungen aus-
geführt, wie es für den industriellen Bau der
Zeit in Osnabrück üblich war (heute Gemein-
dehaus Dompfarrei, Mühlenstraße 6). Be-
nachbart befindet sich das ehemalige Wohn-
haus des Mühlenpächters, das 1892 unter
Verwendung älterer Bauteile zugleich mit der
Mühle selbst erbaut wurde (Nr. 6B).
An den Mühlenbetrieb grenzt im Westen das
palastartige Wohnhaus Mühlenstraße 7/8,
das sich der Lotteriedirektor und damalige
Besitzer der Mühle Justus Rudolf Christian
Lodtmann gegen 1840 auf dem am Haseufer
gelegenen Grundstück erbauen ließ. Der
stattliche, zurückhaltend gegliederte Bau des
ausgehenden Klassizismus erhebt sich breit-
gelagert mit zwei Geschossen über einem
hohen, in Sandsteinquadern ausgeführten
Sockel. Zum Portal in der Mittelachse der sie-
benachsigen Fassade führt eine breite stei-
nerne Freitreppe hinauf. Die einheitlich mit
Putzquadrierung versehenen Fassaden er-
halten ihre Gliederung durch Ecklisenen, pro-
filierte Gesimse und Sandsteineinfassungen

der hohen Fenster, ein Konsolgesims schließt
den Fassadenaufbau ab.
LOHSTRASSE
Die Straße folgt mit ihrer Krümmung dem Ver-
lauf der ehemaligen Befestigungslinie, welche
die mittelalterliche Domburg umgeben hatte.
Wie der Straßenname besagt, besaßen hier
die Gerber ihre Werkstätten, die einst in dem
um die Stadtmauer gelegten Graben das für
ihr Handwerk erforderliche Wasser vorfan-
den. Die Bebauung der östlichen Straßenseite
erfolgte über der ehemaligen Befestigung der
Domburg, die nach der Erweiterung der befe-
stigten Stadt Ende des 12./Anfang des 13. Jh.
überflüssig geworden war. Im Zweiten Welt-
krieg wurden fast alle Häuser der langgezoge-
nen Straße zerstört, als einziger Fachwerkbau
verblieb Nr. 29, erbaut 1613 nach dem großen
Stadtbrand, der Teile der Altstadt im Nord-
westen einäscherte. Es ist ein Beispiel für den
Typus des einfacheren Osnabrücker Bürger-
und Handwerkerhauses um 1600, wie es ehe-
mals für diese Straße charakteristisch war.
Die schönen Taustabknaggen der Giebelvor-
kragungen und das vom Taustab eingefaßte

und in den Bogenzwickeln durch Blattmotive
verzierte Dielentor gehören zum üblichen Gie-
belschmuck des Osnabrücker Hauses der
Zeit, der heute nur noch an wenigen Beispie-
len in der Stadt anzutreffen ist. In ähnlicher
Weise typisch für das Erscheinungsbild des
schlichteren Osnabrücker Bürgerhauses, hier
jedoch in der Gestalt der ersten Jahrzehnte
des 19. Jh., ist das benachbarte Haus Loh-
straße 30.

WESTLICHE ALTSTADT

Aus dem vorstädtischen Siedlungsbereich,
der sich im Verlauf des 11 ./12. Jh. im Westen
der Domburg ausbildete, wuchs als Stadtteil
der Altstadt die Butenburg heran, deren Name
auf ihre ursprüngliche Lage außerhalb des be-
festigten Marktfleckens Bezug nimmt. Auch
diese Vorstadt entwickelte sich im Bereich
wichtiger und alter Verkehrswege, die, von
Westen heranführend, vor dem Tore der Dom-
burg am Markt zusammenliefen. Dem Verlauf
des aus Richtung Münster, Lengerich und
Rheine kommenden Hauptverkehrsweges

Pernickelmühle mit Wehr und Pernickelturm vom Herrenteichswall aus


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