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Kämmerer, Christian [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0098
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faßt, die Wappen der Städte des Regierungs-
bezirks befinden, während das hohe Giebel-
feld des Mittelbaus vom preußischen Wappen
bekrönt wird.
Ehemalige höhere Mädchenschule,
Erweiterungsbau
Am südlichen Ende des Heger-Tor-Walls be-
fand sich bis zu seiner Zerstörung im Zweiten
Weltkrieg das Gebäude des städtischen Mäd-
chengymnasiums. Die Anstalt ging aus der ev.
höheren Mädchenschule hervor, die 1848 ge-
gründet wurde und 1874 in den Besitz der
Stadt gelangte. Die Schule, die anfangs in ei-
nem Anwesen bei der Katharinenkirche unter-
gebracht war, erhielt 1876 einen repräsentati-
ven Neubau, der ein geräumiges Grundstück
auf der Westseite des Walls in der Mitte des
Blocks zwischen Katharinen- und Martinistra-
ße einnahm. Raummangel im alten Gebäude
machten nach der Jahrhundertwende einen
Erweiterungsbau erforderlich, der in den Jah-
ren 1905/06 durch Stadtbaumeister Lehmann
an der Ecke Heger-Tor-Wall/Katharinenstra-
ße ausgeführt wurde (Heger-Tor-Wall 14). Der
Neubau hatte sich einerseits der - heute

Heger-Tor-Wall 14, Erweiterungsbau der
ehern, höheren Mädchenschule, 1905/06


Hans-Böckler-Straße 12, Ratsgymnasium, Hofseite


Heger-Tor-Wall 27, ehern. Villa Schlikker, 1900/01,
Architekt Otto Lüer


durch einen Nachkriegsbau ersetzten - Mäd-
chenschule unterzuordnen, andererseits sich
neben der Baumasse des benachbarten mon-
umentalen Regierungsgebäudes zu behaup-
ten. Lehmann setzte den Erweiterungsbau
vom älteren Schulhaus durch einen niedrigen
Verbindungsbau ab und richtete das dreige-
schossige Schulgebäude selbst zur Kathari-
nenstraße hin aus. Hervorgehoben ist das
zum Wall weisende Portal und der große zwei-
geschossige Erker der Katharinenstraßen-
Fassade, der die Lage des Treppenhauses
anzeigt. Beide in Sandstein ausgeführten
Bauteile weisen reiche Louis-seize-Formen in
freier Anwendung auf, während den Bau sonst
ein im Ganzen zurückhaltender Neoklassizis-
mus kennzeichnet.
Ratsgymnasium
Weiter südlich am Schloßwall Überstand aus
der Zahl der öffentlichen Bauten nur das Rats-
gymnasium die Kriegszerstörungen. Der Neu-
bau der traditionsreichen Schule, die nach der
Einführung der Reformation in Osnabrück als
protestantisches Gegenstück zur Domschule
entstanden war, wurde 1906/08 auf einem an

Hans-Böckler-Straße 12, Ratsgymnasium,
1906-08 Architekt Fr. Lehmann


Heger-Tor-Wall 24, 25


den Schloßpark angrenzenden Grundstück in
städtebaulich wirksamer Ecksituation auf der
östlichen Wallseite errichtet (Hans-Böckler-
Straße 12). Der Bau, für den wohl mit Blick auf
die Gründungszeit der Ratsschule die Formen
der deutschen Renaissance gewählt wurden,
erfuhr nach den Entwürfen des Stadtbaumei-
sters Friedrich Lehmann einen künstlerischen
Aufwand, welcher der Bedeutung der Schule
entsprach. Unter geschickter Ausnützung des
Grundstücks baute Lehmann im stumpfen
Winkel der Straßen eine mehrteilige, lebhaft
gruppierte dreigeschossige Anlage, die als
Putzbau mit einzelnen Gliederungen und Ge-
bäudeteilen in Sandstein ausgeführt wurde.
Gegenüber älteren Schulhäusern des 19. Jh.
mit in der Regel symmetrischer Anordnung ist
das Gymnasium neuartig, indem in Grund-
und Aufriß seine einzelnen Bauteile ihrer
Funktion entsprechend verschieden ausgebil-
det und voneinander abgesetzt werden. Dem
ganz schlichten Klassentrakt an der Hans-
Böckler-Straße (1953 erweitert) und dem mit
erheblich höherem Aufwand gestalteten Aula-
und Turnhallenflügel am Schloßwall ist gelen-
kartig der Eingangsbau zwischengeschoben,
dessen hoher, reich gegliederter und ge-
schmückter Sandsteingiebel das Zentrum der
Anlage bildet. Mit seinen vor- und zurücksprin-
genden Bauteilen und lebhafter Stufung der
Baumassen erzielt der Schulbau malerische
Wirkungen und vermag dem Betrachter die in-
nere Gliederung durch Differenzierung am
Außenbau künstlerisch überzeugend an-
schaulich zu machen.
WOHNHÄUSER AM HEGER-TOR-WALL
Erste Wohnhäuser entstanden seit den acht-
ziger Jahren an den Wallstraßen. Unter den
Promenaden zeichnete sich der Heger-Tor-
Wall durch seine besonders großzügige Anla-
ge aus. Auf der Stadtseite des Walls zwischen
Rolandsmauer und Katharinenstraße baute
Maurermeister Christian Wilhelm Geisler in
den Jahren 1880-83 für einen Unternehmer
eine Zeile von sechs zweigeschossigen
Wohnhäusern, gehobenen Spekulationsbau-
ten, die zu den besonders repräsentativen An-
lagen dieser Art in Osnabrück gehören (Nr.
1C-5). Die ursprünglich symmetrische Ein-
heit der Baugruppe ging durch die Entstellung
des zugehörigen Eckhauses Katharinenstra-
ße 10 bedauerlicherweise verloren. Mit ihren
einheitlich spätklassizistischen Fassaden, de-
ren Einzelformen bereits, der Entstehungszeit
entsprechend, eklektizistische Elemente zei-
gen, schließen sie sich zu einer eleganten
Wohnhausanlage in einer städtebaulich be-
vorzugten Situation zusammen. Vor den Häu-
sern haben sich die alten Vorgärten, die zum
Bild der Wallpromenade gehörten, noch erhal-
ten.
Auch an anderen Stellen des Heger-Tor-Walls
entstanden in der Folge Wohnhäuser von zum
Teil großzügigem Zuschnitt. Nr. 12 am Süd-
ende des Walls ist von seiner ursprünglichen
Anlage her ein typisches zweigeschossiges
Vierachsenhaus, wie es für das gutbürgerli-
che Wohnhaus in den Osnabrücker Stadt-
erweiterungsgebieten der Zeit üblich ist (er-
baut 1885, Architekt W. Nietmann, Erweite-
rung links 1900). Über dem Durchschnitt liegt

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