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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0010
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„Expertise“, d. h. des fachmännischen Gutachtens, zu veröffentlichen. Es handelt
sich dabei um die Frage, in welcher Form und Ausführlichkeit solche Gutachten
abgefaßt sein sollen und ob eine Kammer einzurichten wäre, um im Falle von
Mißbräuchen zu entscheiden. Die Wissenschaft ist an diesen Dingen nur inso-
ferne beteiligt, als sie überhaupt Verfahren verlangt und ein solches planmäßig
für Begutachtungen nicht ausgebildet ist. Für mich fragt es sich, ob in dieser
Richtung ein planmäßiges Vorgehen anwendbar sei, wie ich es als Lehrer für die
Zwecke meines Seminars und von Dissertationen ausgebildet und als Gelehrter
der Wissenschaft in mehreren Werken zur Begutachtung vorgelegt habe. Ein
Mitglied dieses Seminars überreicht mir eine Arbeit, die in dieser Richtung einen
Vorstoß an der Hand eines Einzelfalles versucht. Ich benütze gern die Gelegen-
heit, mich aus einem bestimmten Grunde zur Sache zu äußern.

Herr Ephron behandelt nachfolgend nach der einleitenden „Kunde“ nur die
Wesensuntersuchung. Ich möchte versuchen, um diesen planmäßigen Wesens-
vergleich einen Rahmen zu legen. Da diese unabhängig entstandene Andeutung
zeigen dürfte, daß ich geneigt bin, der Beweisführung Ephrons, soweit dabei das
Verhältnis zweier erhaltener Werke in Betracht kommt, zuzustimmen, weil das
Endergebnis das gleiche bleibt, so wird man verstehen, warum ich mich an dieser
Schrift beteilige. Was vorliegt, sind zwei Kreuztragungen des Hieronymus Bosch,
die in so weitgehender Übereinstimmung miteinander stehen, daß die eine nur als
eine Wiederholung der anderen gelten kann. Aber welches ist das Urbild, das
Breitbild einst in der Sammlung Weinberger (Tafel I) oder das Hochbild in der
Staatsgalerie in Wien (Tafel II)? Um das Endergebnis meiner Untersuchung
gleich vorweg zu nehmen, das landschaftliche Breitbild im Privatbesitze muß das
Urbild, die in zweiTeile zerschnitteneFigurendarstellung des Hochbildes aber die
Wiederholung sein. Die Erkenntnis dieses Verhältnisses der beiden Bilder drängt
sich eben nicht nur durch den Wesensvergleich, sondern zwingend bei Entwick-
lungsüberlegungen auf. Ich überlasse es ganz Ephron das eine Verfahren zur An-
wendung zu bringen. Man Vergleiche dazu meine „Krisis der Geisteswissen-
schaften“ 1923 und „Forschung und Erziehung“ 1928. Ich beschränke mich nur
auf den sachlichen Schlußteil, die Andeutung einer Entwicklungsuntersuchung.

Bisher habe ich solche Untersuchungen immer nur in größeren Zusammen-
hängen für einzelne Kunstkreise wie den armenischen oder einen ganzen Erdteil
z. B. Asien durchgeführt; es freut mich, einmal einer Einzelschöpfung und damit
zugleich einem so urwüchsigen Künstler wie Hieronymus Bosch gegenüber zu
stehen. Ich tue den Schritt um so lieber, als er sehr stark in das mir jetzt am
meisten am Herzen liegende Arbeitsgebiet,die europäischeKunstgeschichte, vom
Standpunkte des Nordens gesehen, einführt.

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