Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0101
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einliihrung in die Frage des „Inhaltes“

Die vorliegende Wesensuntersuchung wurde bisher über die beiden Werte
der Wirklichkeit — Rohstoff und Werk — über den sachlich gebundenen
Bedeutungswert — Gegenstand — und über die beiden Erscheinungswerte —
Gestalt (sachlich gebunden) und Form (persönlich frei) — ausgedehnt. Es fehlt
noch die Untersuchung des letzten zusammenfassenden Wertes — des Inhal-
tes — des persönlich freien Wertes der Bedeutung. (Siehe graphisches Schema
des Wesensplanes).

Alle diese bisher untersuchten Grundwerte, angefangen von der Wahl der
Rohstoffe und Werkarten über den Gegenstand, den oft der Auftraggeber be-
stimmt, dessen nähere Auswahl aber doch der Künstler mitbestimmt, die Ge-
stalten, die er wählt, bis zu den formalen Werten, mit denen er die Wirklich-
keit zur künstlerischen Welt veredelt, all das wird gelenkt vom Geist des
Künstlers, dem alles nur als Mittel dient seinen eigenen seelischen Gehalt
bedeutungsvoll der Umwelt zu vermitteln und ihn so sichtbar und erkennbar
zu machen.

Die einzelnen durch planmäßige Zergliederung zu findenden Wesenswerte
sind so angeordnet, daß in ihnen der künstlerische Inhalt in aufsteigender Linie
zum Durchbruch gelangt. Von den fast einzig durch die Umwelt und die Zeit
gegebenen rohstofflichen und werkmäßigen Mitteln, auf die der Künstler nur
unwesentlichen Einfluß nehmen kann, steigt die Reihe zum Gegenstand (Sujet)
auf, das auch mehr durch die Umwelt vorherbestimmt als durch den Künstler
erschaffen wird, und wieder höher zur Gestalt, an der Welt und Künstler un-
gefähr gleichen Anteil haben; denn sowohl die Natur selbst als auch die modische
Gestaltströmung der jeweiligen Periode schreiben hier sehr Wesentliches vor,
wenn auch der Künstler diese Vorschriften der Naturgestalt und der zeitört-
lichen Modegestalt in seinem Sinne auslegt. Nicht mehr mit der konkreten
Wirklichkeit verbunden ist der Wesenswert „Form“. Ihn knüpft mit der Um-
welt nur mehr ein sehr dehnbares geistiges Band „das allgemeine formale
Wesen der Perioden“. Der schaffende Künstler unterliegt zwar in hohem Maße
dem Formgefühl seiner Zeit, doch gewinnt sein Werk erst dadurch den stili-
stischen Zusammenhang mit seiner Umgebung. Aber je stärker die Künstler-
persönlichkeit, desto stärker setzt sich das eigene Wesen, wenn auch für
gewöhnlich im Sinne des Zeitgeistes, durch. Und der Ausdruck dieses eigenen
seelischen Wesens wird in der Bildenden Kunst immer in der frei geschaffenen
Form zur Erscheinung gelangen. In die Form ergießt der bildende Künstler
seinen seelischen Gehalt.

Ephron, Bosch. 8

73
 
Annotationen