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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0009
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Persönliche Meinung und sachliche Verantwortung

von Josef Strzygowski

Markt und Wissenschaft sind im Gebiete der Bildenden Kunst zwei Seiten
der Öffentlichkeit, die nicht miteinander verwechselt werden dürfen; für den
Markt mag die Meinung einer Persönlichkeit, an deren Urteil sich Sammler
und Händler als maßgebend gewöhnt haben noch so lange zulässig erscheinen,
als in den sogenannten „Expertisen“ nur Kennermeinungen ohne nähere wissen-
schaftliche Begründung gefordert werden. Und wenn sich auch in noch so vielen
Fällen die Unzulänglichkeit der nur zu oft recht oberflächlich verfaßten Expertisen
herausstellen dürft'e— der Markt wird davon ebenso schwer abzubringen sein, wie
die Allgemeinheit, wenn sich in anderer Wendung z. B. ein wissenschaftlicher
Klüngel durch die akademische Gesetzgebung von Jahrhunderten das maßge-
bende Vorrecht erworben zu haben glaubt, die Wissenschaft zu zügeln und alle
Welt gewohnheitsmäßig auf eine einzige als die allein rechtgläubige Richtung
schwört. Nun ist aber die Wissenschaft doch eigentlich etwas anderes, d. h. muß
andere Maßstäbe anlegen als der launische Markt. In der Wissenschaft gibt es —
das muß der Kunstgeschichte noch heute gesagt werden — keine Meinung,
sondern nur eine begründete Annahme; keinen Aberglauben, sondern nur eine
ersehnte Wahrheit, um die wir alle verantwortlich ringen. Die Sache ist dabei
eine einzige, ihre Beurteiler dagegen wie Sand am Meere. Es kommt darauf
an, daß der Kampf der Meinungen die Sache an sich in ihrer einfachen und
schlichten Tatsächlichkeit nicht in Verwirrung bringe. Es geschieht schließlich
nicht alle Tage, daß ein Alexander die heiligen Bücher der Iranier oder ein Shih-
huang-ti die der Chinesen verbrennt und die Schriftgelehrten dann ins Endlose
um die Richtigkeit der Wiederherstellung streiten können. Besonders in der
Forschung über Bildende Kunst und dem, was davon den Markt allein beschäf-
tigt, in den erhaltenen Denkmälern, liegt die Tatsache greifbar und anschaulich
wie ein Naturding vor uns und bleibt glücklicherweise erhaben über den Streit
der Meinungen, so lange als Gesetz gilt oder gelten wird, daß ein Kunstwerk
in seinem Bestande nicht berührt werden darf. Im Übrigen mögen die Gelehrten
streiten, so viel sie wollen so lange die Öffentlichkeit nicht irregeführt wird oder
der Klüngel gar versucht, die ihre eigenen Wege Gehenden mundtot zu machen.
Geschieht dies aber, dann ist es allerdings notwendig, Gegenmaßnahmen vor-
zuschlagen. Bleiben wir zunächst bei einer rein sachlichen Frage.

Die in Berlin erscheinende Zeitschrift „Die Kunstauktion“ hat in ihrem 4. Jahr-
gange, Nr. 33 vom 17. August 1930, begonnen, Zuschriften über die Frage der

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