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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0011
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I. Die Sache

Die beiden Kreuztragungen bestehen nebeneinander und fordern eine Ent-
scheidung darüber heraus, ob die eine das Urbild, die andere die Wiederholung
ist. Diese Entscheidung soll auf Grund eines sachlichen Gutachtens, nicht
durch das bereits gesprochene Kennerurteil erfolgen (Friedländer „Geert-
chen van Haarlem und Hieronymus Bosch“). Wir kennen ja diese Art der
Fragestellung beziehungsweise Entscheidung von sehr viel berühmteren Kunst-
werken her, von denen z. B. das Verhältnis der Meyermadonna des Holbein
entschieden, dasnachderechten Madonnain der Grotte von Leonardo in London
oder Paris noch immer offen ist. Wenn unser Museumbetrieb nicht so eng-
herzig und veraltet wäre, würde man es als ein Fest anstreben, solche Fragen
durch öffentliches Nebeneinanderstellen der Kunstwerke zur Entscheidung zu
bringen, wie es im Falle Holbein geschah. Leider aber spielen da noch ganz
andere Absichten hinein als gerade nur die, die Wahrheit zu ergründen. So
im Falle der beiden Kreuztragungen, daß eine davon für teures Geld für das
Wiener Staatsmuseum erworben wurde und wir uns das Geld zum Teil we-
nigstens hätten sparen können, wenn dabei gerade die zweite Fassung, d. h.
die Wiederholung, erworben wurde.

Die beiden Fassungen stehen zweifellos in einem inneren Zusammenhange.
Die auf die Frage der Entwicklung losgehende Untersuchung setzt zwar ge-
wöhnlich da ein, wo die Wesensbetrachtung zu einer bestimmten Antwort
bezüglich der Eigenhändigkeit des schöpferischen Meisters geführt hat; sie
kann aber auch unabhängig von diesem Ergebnis den Weg des Vergleiches
noch einmal, zunächst mit Zuspitzung auf die Frage beginnen, welches von
den beiden Bildern notwendig als erstes entstanden sein muß und ob die Ent-
wicklung in diesem Einzelfalle mit einem der beiden Bilder oder etwa mit
einem dritten bis jetzt noch nicht bekannten Werke (einer oder mehrerer Hand-
zeichnungen und dergl.) einsetzt, die zur Ausführung der einen oder der beiden
Fassungen geführt haben. Ich beginne, indem ich mich ganz unbefangen dem
dargestellten Gegenstande zuwende und zunächst feststelle, daß in dem einen
wie in dem anderen Falle die Bühne eine Landschaft bildet, das eine Mal
im Breitbilde in voller Ausführlichkeit vorgeführt, im anderen zweifellos
in einer Abkürzung, die überdies durch eine Stufe in zwei Streifen zerlegt
ist ebenso wie die Menschengestalten selbst. Immer werde ich gedrängt mit
dem Breitbilde zu beginnen.

Wir sehen als gegeben ein Stadttor und davor, die flgürlichen Gruppen
rahmend, eine Hügellandschaft mit dem Hochgerichte rechts. Vor dem Tore
staut sich eine Wand von Zuschauern, an der die beiden Schächer bereits

VII
 
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