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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0144
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Kunstinteressierte müssen es ja doch einmal erfahren, daß sich die Kunst-
wissenschaft, trotz der rückschrittlichen Haltung der stehengebliebenen impressio-
nistischen Kennerbonzen, dennoch weiter entwickelt hat. Daß diese an der
Weiterentwicklung der streng sachlichen Kunstwissenschaft kein Interesse haben
und schweigend darüber zur Tagesordnung übergehen, ist nur zu verständlich.
Bedeutet es doch eine Verminderung der kennerischen Geltung. Es ist wohl
nur mehr eine Frage der Zeit, wann die wahre Sachlage ins Bewußtsein weiterer
Kreise gedrungen sein wird. Viele Anzeichen, wie z. B. die immer stärker öffent-
lich geäußerten Mißbilligungen des bisherigen Kennerurteiles, sprechen dafür,
daß sich die Erkenntnis einer notwendigen Wandlung der „Kunstkritik als
Kunst“ zur „Kunstkritik als streng sachliche Wissenschaft“ langsam aber stetig
durchzusetzen beginnt.

n.

Richtlinien zur planmäßigen Eigenhändigkeitsbestimmung

Soll die planmäßige Wesensuntersuchung, als eigentliches Verfahren der
Kunstwissenschaft, in Zukunft die Aufgaben des Kennertums übernehmen, so
wird sie, trotz der zweifellosen Überlegenheit des streng wissenschaftlichen
Verfahrens vor der Planlosigkeit des Eindrucksurteiles, erst dann ihre Auf-
gaben vollkommen erfüllen, wenn sie imstande sein wird die Frage der Eigen-
händigkeit in möglichst unzweifelhafter Weise, jedesfalls aber vollkommener
als es dem Kennerurteil möglich ist, zu klären. Das angestrebte Ergebnis ist
in beiden Fällen das gleiche. Der wesentliche Unterschied besteht aber darin,
daß das Kennerurteil seiner eindrucksmäßigen Entstehung nach unbeweisbar
und somit nicht nachprüfbar ist, während das Urteil auf Grund der Wesens-
untersuchung seine Teile der Nachprüfung darbietet, wodurch es sich zum
höchstmöglichen Grad der Wahrheit, nämlich zum „wissenschaftlich begrün-
deten Urteil“, erhebt.

Um aber diesen höchsten Wahrhaftigkeitsgrad des Kunsturteiles zu erreichen,
muß ein neuer Weg, d. h. es muß überhaupt ein Weg zur Urteilsfindung ein-
geschlagen w rerden. Der Wesensforscher kann nicht so wie der Kenner das
Kunstwerk auf sich wirken lassen und, ausgelöst durch den persönlichen Ein-
druck, ein Urteil auf Grund seiner Meinung fällen — so leicht kann er es sich
nicht machen. Denn er verwirft ja in Kenntnis der Schwankungen alles mensch-
lichen Empfindens den persönlichen „Eindruck“ in Fragen der Kunsterkenntnis.
Er mißtraut daher grundsätzlich seinem persönlichen Gefühl und läßt es über-

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