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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0033
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Einführung in den Aufbau des Strzygowskischen Systems

Die vorliegender Schrift beigegebenen Einführungen bezwecken nicht eigent-
lich die Kenntnis des Verfahrens dem Leser zu vermitteln. Es erscheint dies
mit neuen Worten zu unternehmen eine unfruchtbare Aufgabe, da das Ver-
fahren in breiter Ausführlichkeit von Strzygowski selbst in der „Krisis der
Geisteswissenschaften“ niedergelegt wurde, wodurch es für jedermann aus
diesem Werk unmittelbar zugänglich ist.

Hier wird das Verfahren nur so weit gezeigt, als es zum Verständnis der
Abhandlung notwendig ist. Daneben wird die bisherige planlose Art der kunst-
geschichtlichen Forschung nach verschiedenen Richtungen kritisch mit der
planmäßigen Kunstforschung verglichen. Das Verfahren erscheint in einer
solchen Betrachtung immer als die eigentliche und vorderhand einzige fach-
liche Grundlage der Kunstwissenschaft, wodurch diese erst ihren wissenschaft-
lichen Charakter erhält, den sie sich — ohne eine ihr eigene Arbeitsweise —
zu Unrecht beilegt. So erhalten die Einführungen über die notwendige Auf-
klärung hinaus einen gewissen (wissenschaftlich) polemischen Charakter, der
hier, wo es sich um pro oder kontra handelt, nicht gut vermieden werden
konnte.

*

Der Strzygowski’sche Plan fußt auf den drei Begriffen „Kunde“, „Wesen“
und „Entwicklung“.

„Kunde“ sind alle Nachrichten, Daten, schriftlichen und mündlichen Er-
wähnungen über das Kunstwerk in seiner Eigenschaft als Denkmal und über
den Künstler als Erfinder und (oder) als Verfertiger von Denkmälern. Kurz
alles, was wir schriftlich und mündlich, aber ohne Vergleich über ein Kunst-
werk erfahren können.

„Wesen“ sind alle jene künstlerischen Eigenwerte, die aus dem toten Denk-
mal erst das lebendige Kunstwerk machen. Also die äußeren und inneren
Eigenschaften, denen wir Kunstcharakter beimessen.

„Entwicklung“ ist die Stellung eines Kunstwerkes, oder eines Künstlers,
oder einer Kunstgruppe zu ihrer Umwelt in zeitlicher, örtlicher und gesell-
schaftlicher Beziehung. Die Entwicklungsforschung greift oft über den Rahmen
der eigentlichen Kunstforschung in die größeren Gebiete der Völker- und
Kulturforschung über. „Entwicklung“ kann nur auf der Grundlage vom Wissen
der „Kunde“ und vom Verständnis des „Wesens“ betrieben werden.

Die vorliegende Abhandlung sucht in erster Linie das Wesen zweier Kreuz-
tragungsbilder einer kunstwissenschaftlichen Durchforschung zu unterziehen.

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