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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0048
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Einführung in die Frage des „Gegenstandes“
(Zweck, Besteller)

Nachdem die Sichtung der beiden Bilder in Bezug auf ihre Realität, die sich
in dem handwerklichen Wesenspaar Rohstoff und Werk äußert, durchgeführt
ist, wendet sich die Wesensforschung der anderen Seite der Kunstwerke zu:
den „geistigen Werten“. Diese geistigen Werte werden nach viererlei Mög-
lichkeiten eingeteilt, wodurch vier wechselseitig sich durchdringende „Wesens-
punkte“ (Kategorien) entstehen. Diese vier neugeschaffenen Begriffe sind so
konstruiert, daß in ihnen das gesamte Wesen der bildenden Kunst, sofern es
auf die Kunst selbst und nicht auf den Beschauer bezogen wird, eingeschlos-
sen erscheint.

Die geistigen Werte, es sind dies die Punkte 2, 3, 4, 5 des Wesensplanes
(siehe graphisches Schema in der Einführung in die Frage des „Wesens“) liegen
in den Kunstwerken verborgen und sie erschließen sich in ihrer unverfälsch-
ten Wahrhaftigkeit nur demjenigen, der allein den Geist der Kunstwerke, aber
nie sich selbst sprechen zu lassen beabsichtigt. D. h. zur Erkenntnis des
geistigen Wesens der Kunst wird nie der genießende Beschauer sondern nur
der forschende Betrachter gelangen.

*

Unter „Gegenstand“ wird ein Wesenspunkt behandelt, der in der Kunstge-
schichte unter dem Namen Sujet, Stoff oder Thema bekannt ist. Überdies kommt
auch hier der Zweck des Kunstwerkes und der eventuelle Besteller zur Unter-
suchung.

Der Gegenstand ist seinem Wesen nach ein Bedeutungswert; aber nicht wie
der seelische Gehalt ein persönlich freies bedeutsames Bekenntnis des Künstlers,
sondern eine durch die Umwelt festgelegte sachlich gebundene Bedeutungsvor-
stellung. Der Gegenstand wird nicht durch die Kunst, sondern durch den geistigen
Zustand von Ort, Zeit und Gesellschaft vorherbestimmt. Der Künstler findet
ihn fast immer in der Kultur seiner Zeit fertig vor. Dazu kommen außer den
Zwecken, denen er den Gegenstand anpassen muß, auch noch die besonderen
Wünsche seines Auftraggebers, die er wohl oder übel auch berücksichtigen
muß. Alles Bestreben wird darauf gerichtet sein — anschaulich und verständlich
zu erscheinen. „Das Ziel des Gegenstandswertes in der bildenden Kunst ist beim
Beschauer eine Deutung des Kunstwerkes durchzusetzen“ (Strzygowski). Der
Gegenstand, den ein Künstler, sei es nun freiwillig oder auf Grund eines Auf-

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