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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0109
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auch ließ er manchmal den Grund durchschimmern“. Genau nach dieser sehr
persönlichen Werkart ist das Weinb.-Bild auch unter Verwendung der seltenen
weißen Grundierung gemalt. Ob das Mus.-Bild auch auf einem solchen weißen
Grund gemaltwurde, konnte ich, da der äußerliche Rand vom Rahmen verdeckt
ist, nicht genau feststellen. Doch scheint es nicht der Fall zu sein.

Das Durchschimmern des Grundes und der Untermalung durch die darüber
gelegten Lasuren, das Van Mander beschreibt, kommt auf beiden Bildern vor.
Die Zweifärbigkeit vieler Stellen wurde bereits unter Rohstoff und Werk er-
wähnt. Und auch der Unterschied, daß am Weinb.-Bild die schillernde Wirkung
stärker und genauer durchgeführt ist als am Mus.-Bild.

Es entspricht daher die weiße Grundierung und die eigenartige Lasurtechnik
des Weinb.-Bildes vollkommen den Van Mander’schen Angaben, womit eine
Zuweisung an Bosch in Bezug auf diesen rohstofflichen und werkmäßigen
Teil gerechtfertigt wird.

Das bereits früher wiedergegebene Gutachten über die perspektivische Kon-
struktion der beiden Bilder zeigt sonderbarerweise zwei Horizonte am Weinb.-
Bild; einen für die Figurengruppe und den in gleicher Ebene liegenden Torturm
und einen zweiten, höher liegenden Horizont für die Landschaft. Es ist dies
keine damals allgemein übliche Konstruktion. Wir finden sie kaum bei einem
anderen Künstler. Aber für Bosch ist sie typisch. Fast alle seine Werke
sind durch eine solche eigenartige doppelte Perspektive in zwei Schichten
aufgeteilt.

Friedländer, der mit seiner Intuition am tiefsten dem Wesen des Meisters
gerecht wird, charakterisiert in „Von Eyck bis Breughel“, nachdem er die
staffagehafte Aufstellung der Figuren vor dem landschaftlichen Raum fest-
stellt, den Landschaftsbau bei Bosch folgendermaßen: „Immerhin schwebt dem
Meister jene Einheit von Figur und Landschaft vor, die erst Pieter Breughel
verwirklichte. Bosch’s große, aber geographisch gesehene Landschaft hat einen
sehr hohen Horizont, erscheint wie von einem Turm aufgenommen, die Figuren
dagegen haben ihren eigenen weit tiefer liegenden Horizont, sind vollkommen
aufrecht und unverkürzt betrachtet. Bei diesem altertümlichen Zwiespalt und
Dualismus der perspektivischen Konstruktion kann eine rechte Tiefenillusion
nicht erwirkt werden. In der Tat erscheinen Bosch’s Gemälde überwiegend
flächendekorativ, obwohl die Weite und Ferne der landschaftlichen Gründe
zeichnerisch und koloristisch sorgsam ausgedrückt ist. Die raumschaffende
Kraft des Mittelgrundes fehlt.“

Es ist als ob Friedländer das Weinb.-Bild beschriebe — so sehr trifft
jede seiner allgemeinen Bemerkungen im Besonderen auf das Bild zu. Vor
allem werden dadurch die zwei Horizonte für die Figuren und für die Land-

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