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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0146
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könnte. Wird in fortschreitender Entwicklung der gesamte Denkmälerbestand
der Erde nach und nach planmäßig aufgearbeitet und in gesicherten Ergeb-
nissen der Wissenschaft zugänglich gemacht werden, dann zweifle ich nicht,
daß auf Grund so vollkommener fachlicher Grundlagen die Frage der Eigen-
händigkeit durch geeignetes Verfahren wird gelöst werden können. Da jedoch
dieses Ziel noch in weiter Ferne mehr als Wunsch denn als zu verwirklichende
Möglichkeit zu erstreben ist, muß auch davon Abstand genommen werden, ein
allseitiges Verfahren zur Bestimmung der Eigenhändigkeit aufzustellen. Man
kann nur auf Grund der Erkenntnisse der planmäßigen Wesensforschung einige
fachliche Richtlinien zur Klärung dieser Frage aufstellen.

Grundsätze: I. Die „Eigenhändigkeit“ kann ebenso wie die „Entwicklung“
nur nach vorhergegangener Feststellung der Kunde sowie nach durch-
geführter planmäßigen Wesensuntersuchung zur Erforschung gelangen.

II. Die Forschung nach der schöpferischen Hand kann nur nach erfolgter
Feststellung des geistigen Urhebers einsetzen.

Während aber nach der planmäßigen Wesensbetrachtung der geistige Urheber
als Endergebnis der Inhaltszusammenfassung ermittelt wird, bedarf die Fest-
stellung der schöpferischen Hand zu den vielfach notwendigen Vergleichen der
Heranziehung gewisser Einzelheiten, die nach fachlichen Grundsätzen, jedoch
in großer Verschiedenheit für jeden Fall einzeln auszuwählen sind. Die unend-
liche Vielfalt der Bildenden Kunst, die nur ganz oberflächlich in Architektur,
Plastik, Malerei und Kunstgewerbe eingeteilt wird, bringt es mit sich, daß
die Eigenhändigkeitsbestimmung fast bei jeder örtlichen und zeitlichen Teil-
gruppe dieser drei Bildenden Künste (die Architektur scheidet bei dieser Frage
aus), ja fast bei jedem einzelnen Kunstwerk einen diesem Werk jeweils an-
gepaßten Forschungsgang einschlagen muß. Wenn sich auch natürlich die
Forschungswege zur Eigenhändigkeitsbestimmung der Plastik von denen der
Malerei unterscheiden müssen, so ist damit noch nicht gesagt, daß deshalb schon
jedes Werk der Malerei oder Plastik nach einem gleichen Muster bestimmt
werden kann. Es werden selbst die nach ähnlichen Gesichtspunkten zu be-
handelnden geschlossenen Gruppen noch eine Unzahl sein. Schließlich wird
man erkennen, daß jeder Meister, ja sogar jedes einzelne Werk eines Meisters
eine genau seinem „Wesen“ entsprechende Untersuchungsmethode verlangt.

Hier leistet nun für die Bestimmung der Eigenhändigkeit die planmäßige
Wesensuntersuchung einen durch nichts anderes zu ersetzenden Dienst. Alles,
was man überhaupt vom Kunstwerk selbst wissen kann, liegt nach erfolgter
planmäßiger Bearbeitung vor den Augen des Forschers ausgebreitet. Er muß
nur die gefundenen Grundwerte sinnvoll verwenden, das eine oder das andere
Fehlende nachtragen und wird so aus dem ganzen vorliegenden Stoff die Fol-

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