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Ephron, Walter; Strzygowski, Josef <Prof. Dr.>; Bosch, Hieronymus [Hrsg.]
Hieronymus Bosch - Zwei Kreuztragungen: eine "planmässige Wesensuntersuchung" — Zürich, Leipzig, Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.29309#0163
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Denn bereits die 33 Originale zeigen so verschiedene Handschriften, daß man
eher an mehrere als an einen einzigen Künstler denken müßte. So kommt es,
daß außer den Zweifeln, die bereits innerhalb einer gewissenhaften einzigen
Person auftauchen, mehrere Werke von den verschiedenen Fachleuten ver-
schieden beurteilt werden. Selbst ein so wichtiges Werk wie das „Jüngste
Gericht“ in der Wiener Akademie wird von einigen Sachverständigen für ein
Original, von anderen wieder für eine Nachahmung erklärt. Und so noch eine
ziemliche Reihe anderer Werke. Sicherlich kommen Meinungsverschiedenheiten
auch bezüglich einzelner Gemälde anderer Meister vor. Doch bei keinem Maler
gehen die Meinungen so auseinander und sind überdies so wenig gefestigt
wie bei Bosch. Der Grund für diese Unsicherheit liegt vor allem in dem ganz
allgemein geringen Wissen über diesen Künstler, mehr aber noch in der auf-
fallenden Ungleichheit der Handschrift, auch selbst der als Originale geltenden
Werke. Nun wäre es ja ohneweiters einzusehen, daß sich die Wesensart der
Handschrift im Laufe eines langen Lebens verändert, für gewöhnlich in der
Richtung von fein zu derb; das wäre keineswegs auffallend, wenn nur der
Grundtypus derselbe bliebe. Das ist aber bei Bosch nun gar nicht der Fall.
Erstens ist die zeitliche Folge seiner Werke noch nicht so genau bestimmt,
daß man den jugendlichen Strich bis zur zittrigen Greisenhand, so wie z. B.
bei Tizian, Rembrandt, Hals, Rudolf Alt, Liebermann verfolgen könnte. Bosch
gilt immer als der „Alte“. Wir kennen außer der Epiphanie in New York
kaum ein Werk von ihm, das uns den Eindruck eines jugendlichen Künstlers
hinterläßt. Und selbst das New Yorker Werk ist so zittrig und furchtsam hin-
geschrieben, daß es eher von einem Jüngling oder Greis, aber nicht von einem
reifen Manne gemalt worden zu sein scheint.

Abgesehen aber von dieser Ungewißheit in Bezug auf die zeitliche Folge der
Werke und den Zeitraum, über den sie sich verteilen, finden wir zwei grund-
sätzlich verschiedene Typen von Handschriften, bei deren vergleichender Be-
trachtung sich direkt die Feststellung aufdrängt, daß zwei so grundverschiedene
Pinselführungen nicht von einer einzigen Person stammen können.

Wir sehen auf dem Großteil der 33 Originale, inbegriffen der wenigen ur-
kundlich belegten, ganz zweifellosen Werke, eine ziemlich enge, oft sehr feine,
selten eine etwas breitere Pinselschrift; einige Werke dagegen, so z. B. das
„Konzert in der Barke“, Abb. 27, aus dem Louvre, derzeit im Amsterdamer
Rijks-Museum, sind in einer ganz rauhen und derben, auf grobe Wirkungen
ausgehenden Manier ausgeführt. Der Ausschnitt aus diesem Bilde, mit der Laute
spielenden Frau und dem singenden Mönch ihr gegenüber, zeigt diese wirkungs-
volle, aber sehr rohe Art der Zeichnung und des Farbenauftrages. Man ver-
gleiche im Gegensatz dazu das „Martyrium der heiligen Julia“ aus der Akademie

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