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Vom Affen zum Menschen.
Alkovens erfaßt, und kletterte nun an dem Stricke mit Affen-
gewandtheit bis an den Plafond hinauf, wo es, sich nur mit
einer Hand festhaltend, und die Füße fast wagrecht hinaus-
streckend, sich hin- und herwiegte.
„Das bringt mir doch kein Turner zusammen!" sagte
Dr. Nebeling zu sich selbst.
Doch der Affe ließ ihm nicht Zeit, dieses Stückchen zu
bewundern, denn schon eilte jener über die Leiter hinauf, welche
an der Bibliothekwand lehnte. Dort aber siedelte das Thier
sich an. Nun zog es ein Buch heraus, blätterte mit komischer
Nasenweisheit darin herum, dann setzte es sich plötzlich darauf,
und äußerte lebhaft seine Freude über diesen vortrefflichen Ge-
danken. Gleich darauf riß der Affe ein zweites, drittes bis zehntes
anderes Buch aus verschiedenen Fächern heraus, und schien nun
von einer bedenklichen Zerstörungswuth befallen, denn er machte
Anstalt, einen Buchdeckel zu benagen.
„he!" rief vr. Nebeling in Verzweiflung. „Bst! . . .
etwas anderes, dabei die weitesten Entfernungen übcrschwingend,
und das Alles mit solcher Sicherheit und solcher Vorsicht, daß
keiner der dazwischen liegenden Gegenstände ans seiner Stellung
oder Lage gebracht wurde, vr. Nebeling, der schon alle seine
Kostbarkeiten in wildem Chaos durcheinander fliegen und in Stücke
zerschellen sah, war durch diese wunderbare Neigung des merk-
würdigen Thieres zur Schonung dermaßen befriedigt, daß er
einen herzhaften Seufzer der Erleichterung ausstieß.
Nun stand der Affe plötzlich auf seinen Vorderhänden
und spazierte so einige Male im Zimmer auf und ab. Dann
ballte er sich in einen Knäuel zusammen, und kugelte wieder
in dieser Art ab und auf.
Endlich hielt das Thier stille, neigte den Kopf nach der
Seite, kraute sich dabei auf seinem Rücken mit der Hand, und
im nächsten Augenblicke stand der Affe mit beiden Füßen un-
versehens auf den — Schultern des vr. Nebeling!! . . .
Obgleich dieser vor dem wunderbar leichten Sprung kaum
erschüttert wurde, so erfaßte ihn über die unerwartete Situation
doch ein solches Bangen, daß er laut um Hülfe rief. Im
Nun warf der Affe gleichgiltig sämmtliche herausgezogene
Bücher mitten auf den Boden herab.
vr. Nebeling machte ein höchst bestürztes Gesicht.
Der Asse, der ihn nie aus dem Auge verlor, schien zu
Werken, um was cs sich handle, denn eiligst kam er, Kopf
u»d Hände nach unten, die Leiter hinab, raffte die Bücher
wieder zusammen, sprang mit ihnen wieder die Leiter hinauf,
und stellte jedes Buch genau in sein bestimmtes Jach zurück.
„Dieser Ordnungssinn! Dieses Gedächtniß!" rief
^1'. Nebeling aus.
Judeß ging die rasch wechselnde Affenlaune in eine
andere Farbe über.
Wie besessen sprang nämlich nun das Thier von einem
Gegenstände zum andern, von der Leiter aus den Tisch, von
da ans den Kasten, von diesem auf die Erde, von hier auf
nächsten Augenblicke stürzte ein junger, hübscher Mann durch die
Seitenthüre herein, hinter ihm ein liebliches Mädchen.
Der junge Mann, der Claviermcister des Mädchens,
welches vr. Nebelings Töchterlein war, hatte, als er in die
Stunde kam, von dem Entweichen des Menagerie-Affen gehört,
und erkannte auf den Hülferuf des Doktors sogleich die fatale
Situation desselben. Zuerst drängte er das Mädchen in- das
anstoßende Gemach zurück, dann überlegte er, wie dem Thicre
beizukommcn sei.
„Halten wir uns ruhig, Herr Lindenan", sagte vr. Nebeling
leise zu dem jungen Mann, „vielleicht spaziert er wieder herunter."
Hier aber machte der Affe, immer noch aus den Schultern des
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Vom Affen zum Menschen.
Alkovens erfaßt, und kletterte nun an dem Stricke mit Affen-
gewandtheit bis an den Plafond hinauf, wo es, sich nur mit
einer Hand festhaltend, und die Füße fast wagrecht hinaus-
streckend, sich hin- und herwiegte.
„Das bringt mir doch kein Turner zusammen!" sagte
Dr. Nebeling zu sich selbst.
Doch der Affe ließ ihm nicht Zeit, dieses Stückchen zu
bewundern, denn schon eilte jener über die Leiter hinauf, welche
an der Bibliothekwand lehnte. Dort aber siedelte das Thier
sich an. Nun zog es ein Buch heraus, blätterte mit komischer
Nasenweisheit darin herum, dann setzte es sich plötzlich darauf,
und äußerte lebhaft seine Freude über diesen vortrefflichen Ge-
danken. Gleich darauf riß der Affe ein zweites, drittes bis zehntes
anderes Buch aus verschiedenen Fächern heraus, und schien nun
von einer bedenklichen Zerstörungswuth befallen, denn er machte
Anstalt, einen Buchdeckel zu benagen.
„he!" rief vr. Nebeling in Verzweiflung. „Bst! . . .
etwas anderes, dabei die weitesten Entfernungen übcrschwingend,
und das Alles mit solcher Sicherheit und solcher Vorsicht, daß
keiner der dazwischen liegenden Gegenstände ans seiner Stellung
oder Lage gebracht wurde, vr. Nebeling, der schon alle seine
Kostbarkeiten in wildem Chaos durcheinander fliegen und in Stücke
zerschellen sah, war durch diese wunderbare Neigung des merk-
würdigen Thieres zur Schonung dermaßen befriedigt, daß er
einen herzhaften Seufzer der Erleichterung ausstieß.
Nun stand der Affe plötzlich auf seinen Vorderhänden
und spazierte so einige Male im Zimmer auf und ab. Dann
ballte er sich in einen Knäuel zusammen, und kugelte wieder
in dieser Art ab und auf.
Endlich hielt das Thier stille, neigte den Kopf nach der
Seite, kraute sich dabei auf seinem Rücken mit der Hand, und
im nächsten Augenblicke stand der Affe mit beiden Füßen un-
versehens auf den — Schultern des vr. Nebeling!! . . .
Obgleich dieser vor dem wunderbar leichten Sprung kaum
erschüttert wurde, so erfaßte ihn über die unerwartete Situation
doch ein solches Bangen, daß er laut um Hülfe rief. Im
Nun warf der Affe gleichgiltig sämmtliche herausgezogene
Bücher mitten auf den Boden herab.
vr. Nebeling machte ein höchst bestürztes Gesicht.
Der Asse, der ihn nie aus dem Auge verlor, schien zu
Werken, um was cs sich handle, denn eiligst kam er, Kopf
u»d Hände nach unten, die Leiter hinab, raffte die Bücher
wieder zusammen, sprang mit ihnen wieder die Leiter hinauf,
und stellte jedes Buch genau in sein bestimmtes Jach zurück.
„Dieser Ordnungssinn! Dieses Gedächtniß!" rief
^1'. Nebeling aus.
Judeß ging die rasch wechselnde Affenlaune in eine
andere Farbe über.
Wie besessen sprang nämlich nun das Thier von einem
Gegenstände zum andern, von der Leiter aus den Tisch, von
da ans den Kasten, von diesem auf die Erde, von hier auf
nächsten Augenblicke stürzte ein junger, hübscher Mann durch die
Seitenthüre herein, hinter ihm ein liebliches Mädchen.
Der junge Mann, der Claviermcister des Mädchens,
welches vr. Nebelings Töchterlein war, hatte, als er in die
Stunde kam, von dem Entweichen des Menagerie-Affen gehört,
und erkannte auf den Hülferuf des Doktors sogleich die fatale
Situation desselben. Zuerst drängte er das Mädchen in- das
anstoßende Gemach zurück, dann überlegte er, wie dem Thicre
beizukommcn sei.
„Halten wir uns ruhig, Herr Lindenan", sagte vr. Nebeling
leise zu dem jungen Mann, „vielleicht spaziert er wieder herunter."
Hier aber machte der Affe, immer noch aus den Schultern des
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Vom Affen zum Menschen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 65.1876, Nr. 1621, S. 51
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg