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Führer, Joseph; Schultze, Victor; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts / Ergänzungs-Heft: Die altchristlichen Grabstätten Siziliens — Berlin, Band 7.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.39132#0256
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J. Führer und V. Schultze, Die altchristlichen Grabstätten Siziliens.

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Jede Inschrift und jede Dekoration fehlen; nur einige Knochenreste wurden
gefunden. Andererseits ist Führer geneigt, die an einer Stelle des südlichen Ab-
schnittes von ihm beobachteten scheinbaren Lampennischen größern und kleinern
Umfanges für »heidnische Nischen« zu halten. Daraus darf freilich nicht auf den
heidnischen Ursprung des Ganzen geschlossen werden; denn es ist nicht beispiel-
los, daß christliche Gräberanlagen in ihrem Verlauf in heidnische gestoßen sind
und diese adoptiert haben (vgl. S. 39). Andererseits können zwei von Salinas
angeführte Lampen nicht als Beweise angezogen werden, da die eine, in früherer
Zeit an dieser Stelle gefunden, nicht eine spezifisch christliche Darstellung trägt,211
und die andere mit dem Kreuzeszeichen wohl aus der Umgebung von Carini,
aber nicht aus diesem Cömeterium kommt. Auffallend ist die Unregelmäßigkeit
des Baues, wie er überhaupt in der Gestaltung der Einzelräume und der Galerien
manche Eigentümlichkeiten hat. Dennoch wird er zweifelsohne den christlichen
Katakomben zugezählt werden müssen. [S]

LILYBAEUM-MARSALA.
Als Motye, dieser wichtigste politische und militärische Stützpunkt und das
wertvollste Handelsemporium der Karthager im Westen Siziliens im Jahre 398 in
der verwüstenden Eroberung durch Dionysios unterging, schufen sie sich bereits
im folgenden Jahre an dem südlich gegenüberliegenden Vorgebirge Lilybäum eine
neue starke Operationsbasis für ihre kriegerischen und merkantilen Unternehmungen,
die den Namen des Ortes annahm.212 Die wechselvollen Geschicke Siziliens
waren auch die der Stadt. Die Einwanderung der aus ihrer Heimat vertriebenen
Selinuntiner im Jahre 249 v. Chr. wird wesentlich zur Hellenisierung Lilybäums
beigetragen haben. Unter den Römern galt es als eine »glanzvolle Stadt«,2I3 und
wenn Theodorich d. Gr. das Gebiet seiner Schwester Amalafrida als Hochzeits-
gabe darbrachte, so erhellt auch daraus ihre Blüte, wie sehr auch das bar-
barische Element in ihrer Bevölkerung andauernd einen starken Bestandteil gebildet
haben mag. Als jedoch die Sarazenen die Insel betraten, fanden sie die Stadt in
ruinenhaftem Zustande. Sie hoben sie aus den Trümmern und benannten sie
Marsä-Ali, d. h. Hafen Alis, jetzt Marsala. Diese Neugründung nimmt nur einen
kleinen Teil des alten Umfanges ein.
Wann das Christentum in Lilybäum, wo verschiedene wichtige Straßen zu-
sammenliefen, Boden gefaßt hat, entzieht sich der Kenntnis. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, daß bereits im 2. Jahrhundert dort ein Bischofssitz war, wenn auch die

2I1) S. 366: nel centro un cervo e intorno i soliti 2I2) Julius Schubring, Motye-Lilybäum (Philo-
ornatini a forma di foglie e di cuori. Der logus XXIV. S. 49ff.). Dazu ergänzend in topo-
Hirsch kann christliches Symbol sein, ist es aber graphischer Beziehung E. A. Freeman, The
nicht in allen Fällen. history of Sicily 4. Bd. S. 93 ff.
2I3) Cicero, Verr. V, 10: splendidissima civitas Lilybaetana.
 
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