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Führer, Joseph; Schultze, Victor; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts / Ergänzungs-Heft: Die altchristlichen Grabstätten Siziliens — Berlin, Band 7.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.39132#0338
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J. Führer und V. Schultze, Die altchristlichen Grabstätten Siziliens.

Ein drittes Exemplar aus Marmor, 2,12 m lang, besitzt das Museum (Abb. 122).
Auch hier ist in die geriefelte Fläche ein Bildwerk eingeschnitten: Christus in
Begleitung zweier Jünger, wofür sich auch sonst Beispiele finden. Das jugend-
liche, von langen Locken umrahmte Antlitz, die Cista am Boden, die ganze
Komposition sowie die Putti mit den Blumenkörben an den Enden reflektieren
noch die ältere Sarkophagskulptur, aber die harte Ausführung weist in das 5. Jahr-
hundert. Die auf dem schrägen Dache ausgeschnittenen Medaillons sind späteren
Ursprungs.
Ob die Sarkophage (Abb. 120—122) Import oder sizilische Arbeit sind, wage
ich nicht zu entscheiden; ersteres dünkt mir jedoch wahrscheinlicher. [S]

DIE GESCHICHTLICHE STELLUNG.
Die Anfänge des altchristlichen Grabbaues liegen durchaus in der Bahn einer
bestimmten älteren Überlieferung. Er nimmt seinen Ausgang von der Grab-
kammer, einem quadratischen oder oblongen Raume, um den sich die Gräber in
dieser oder jener Ordnung gruppieren. Dieses Schema aber ist durch die ganze
vorchristliche Welt verbreitet; Semiten, Griechen und Römer verwenden es. Man
kann es die Normalform nennen. Die Vorstellung von dem Grabe als dem zweiten
Hause des Toten, welche die Christen mit ihren andersgläubigen Zeitgenossen
teilten, hat sich darin einen entsprechenden baulichen Ausdruck geschaffen. Die
im christlichen Sprachgebrauch beliebte Bezeichnung xoifiyjr/joiov, d. h. Schlafkammer,
für diesen Raum hält, auch in ihrer religiösen Umbildung, diese Idee noch fest.
Die Grabkammer bestimmt aber nicht nur die Anfänge des altchristlichen
Grabbaues, sondern führt auch im ganzen Verlaufe seiner Geschichte die Herrschaft;
alles andere bleibt Nebenerscheinung. Die irrtümliche, aus der Betrachtung der
Katakomben der Stadt Rom erwachsene Meinung, daß die sog. Katakombe, d. h.
das System von Galerien, die eigentliche Normalgrabform der alten Kirche dar-
stelle, verschuldet bis auf diesen Tag, daß man an diesen Denkmälern, deren
Zahl tatsächlich fast unübersehbar ist, achtlos vorübergeht oder sie der Antike
überläßt, wo nicht besondere Merkmale sie als christlich ausweisen. Dadurch ist
ein völlig falsches Bild der Situation entstanden.
Hier treten die sizilischen Grabstätten mit sicher führender, abschließender
Belehrung ein. Wie groß auch ihre Zahl und die Verschiedenheit der Einzel-
zwecke ist, der Hallentypus bestimmt ihre Gesamterscheinung; von ihm haben
sie ihr Gepräge. Ferner, alle Möglichkeiten dieses Schemas sind erschöpft. Was
sonst durch die altchristliche Welt hin in mannigfaltiger Gestaltung zerstreut ist,
liegt hier auf einem verhältnismäßig kleinen Raume übersichtlich nebeneinander.
Dadurch wird uns die Möglichkeit gegeben, die Grabkammer im Verlaufe ihrer
ganzen Entwicklung zu überschauen, ihre Eigenart in allen Einzelheiten zu er-
kennen und von diesem Ergebnis aus an die Ausdehnung der Forschung auf
 
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