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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0062
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Die St, Stephans-Kirche in Wien.

Michaelis 1433 die Spitze des Thurmes zu krönen.'') Es waren also während der Aufführung des Thurmes
vier und siebenzig Jahre verflossen. **)

Hanns Buchsbaum förderte auch den von Herzog Rudolph angefangenen und allein noch unvollendeten
Theil des oberen Kirchentheiles, der aber erst unter dem ungarischen Könige Mathias, der damals im Besitz
Wiens war, gänzlich zu Stande kam, und begann den ferneren Bau des unvollendet gebliebenen nördlichen
Thurmes, zu dem 1450 am St. Hippolytustage, den 13. August, Simon, Probst zu Klosterneuburg, im Beisein
mehrerer hoher geistlicher und weltlicher Herren den neuen Grundstein legte. *'*"*)

Buchs bäum starb 1454 und setzte in seinem Testamente die Domkirche als Haupterbin seines Vermögens
ein. Die ihm folgenden Baumeister des Domes waren Leonhard Steinhauer, Lorenz Pfenning von Dresden
und Seifried König von Constanz, letzterer etwa nach 1480, wo Wien Sitz eines Bischofs wurde, und mit
dem Beginne des sechszehnten Jahrhunderts Georg Khlaig von Erfurt und Anton Pilgram von Brunn. Der
Bau ging indess nur sehr langsam von statten, da er grösstenteils nur von den wenigen frommen Ver-
mächtnissen und wöchentlichen vier Pfund Pfennigen, die der Landesfürst dazu gab, bestritten werden musste.
Zu dem war der Arbeitslohn jährlich so gewachsen, dass man nur zehn bis zwölf Menschen bei dem Bau
beschäftigen konnte.

Im Anfange des XVI Jahrhunderts drohte nach Cuspinians Berichte dem Stephansthurme in Folge wieder-

holter Blitzschläge der Einsturz. Viele

Leister wurden berufen dem Uebel vorzubeugen. Der Baumeister

Gregor Hauser aus Freiburg unternahm es mit dem kaiserlichen Hauptmann Leonhard Ilauser die gekrümmte
Thurmspitze durch Zerschneiden der Steine abzunehmen. Die Herstellung des Thurmes dauerte mehrere Jahre,
wobei die Geraderichtung der langen viereckigen Eisenstange., welche die Axe der steinernen Thurmspitze
bildete, mittelst Feuer auf dem Thurme sel!)st die schwierigste Arbeit war. — Auf der obersten Thurm-
spitze wurde eine auf diesen Reparaturbau sich beziehende Inschrift *■***) auf einer bronzenen Tafel ge-
funden, die da besagte, dass im Mai des Jahres 1514 die oberste Thurmspitze mit Vorsicht hinweggenommen
und im Juli des Jahres 1519 wieder aufgesetzt worden sei.

Zu dieser Zeit war man endlich gezwungen den weiteren Bau des zweiten Thurmes ganz aufzugeben,
und erst, nachdem er über ein halbes Jahrhundert unbedeckt geblieben, wurde er endlich 1579 von dem
Baumeister Hans Saphoy mit einem kleinen xiufsatze überbauet und mit einem Kupferdach versehen. Er
und Meister Schueler brachten um diese Zeit auch das untere Gewölbe, das einzustürzen drohte, wieder
in guten Stand.

Im September 1590 wurden Mähren, Böhmen und besonders Wien durch Erdbeben erschüttert, viele
Häuser stürzten in dieser Stadt zusammen und auch des Stephansthuxmes Spitze krümmte sich. In einem
uns erhaltenen Briefe vom 23. September 1590f) heisst es: „Der gemaltige schöne Steffansthurn befindet sich
dermassen zerissen, dass kein Stain mer recht aufm andern steet, und wann der rät so voll eiserner Stangen.
und mit Bley vcrrent auch eingegossen, were er auch gewisslich gar eingefallen wie er dann auf einer Seiten
hangt und davon stukh zweyer Centner und mer schwer, herab gefallen. Diesen thurn wollt man gern abtragen
lassen, so wollen sich iedoch die merkleith und maurer nid untersteen zu rüsten, da es aber in nützlich were,
sollichen thurn widerrumb zu repariren wie er zuvor gewest, sch.ezet man die uncosten auf 300 31 (300,000 fl.) . ■ . ."

*.) Diese Angaben werden nach Franz Tschischka durch die Original-Kirchenmeister-Rechnungen bezeugt, die der Magistrat
von Wien aufbewahrt. — Die Annahme früherer Beschreibungen, dass Anton Pilgram von Brunn der Vollender des hohen
Thurmes sei, ist ohne Grund, welchem Meister nur ein Antheil an der Aufführung des unvollendet gebliebenen nördlichen
Thurmes zuzukommen scheint. — Hanns Buchsbaum, der sich selber in einem Reverse „der Wurmitzer" nennt, ist wahr-
scheinlich mit jenem Hensel der Junge, oder Hennslein von Wurniitz identisch, der nach den Rechnungen seit 1415 für den
Stephansbau vorzügliche Zierarbeiten lieferte; er scheint daher schon von jung auf bei dem Bau beschäftigt gewesen zu sein.
**) Hier einige Parallelen. Der Thurm des Strassburger Münsters, angefangen S277 wurde erst 1439, also in 172 Jahren voll-
endet; der Thurm des Freiburger Münsters bedurfte 100 Jahre zu seiner Vollendung; der der Kirche von Tlian im Elsass
86 Jahre (angefangen 1430 und beendet 1516); der schöne Thurm der Martinskirche in Landshut, der wie man glaubt um
das Jahr 1432 begonnen wurde, ward erst 1478 vollendet, bedurfte daher zu seiner Aufführung 46 Jahre; der unvollendet
gebliebene Thurm des Domes zu Frankfurt am Main wurde im Jahre 1415 angefangen und bis zum Jahre 1512 zu seiner
gegenwärtigen Höhe gebracht.
**) Bei dem Anfange dieses Thurmbaues gab Friedrich III die merkwürdige Verordnung, dass, weil eben ein saurer Wein ge-
wachsen war, Jedermann, der ihn nicht trinken wollte, ihn nach St.. Stephan auf den Freithof bringen sollte, auf dass man
den Kalk damit ablöschen und das Fundament recht haltbar bauen könne. Cuspinian, in Äustr. pg. 66.
***<■) Diese Inschrift wird in der Allgem. Bauzeitung, achter Jahrgang (1843) S. 10 mitgetheilt.

-{-) Dieser und noch ein anderer Brief über dasselbe Erdbeben ist aus der Wiener Zeitung vom 27. Oct. 1842 in dem angeführten
Jahrgange der Aügem. Bauzeitung S. 10 und II abgedruckt worden.

©t. ©tcpt'atUFirdje in 'löien. 2.
 
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