Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0149
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Haus des Jacques Coeur In Bourges.

Jungen, in dessen oberem Maasswerk Herzfiguren, das sprechende Wappenzeichen des Eigenthümers, und
die Figur einer Lilie, als Zeichen der Dankbarkeit desselben gegen König Karl erscheinen. Ein Kranz-
gesims mit einem reichen Blätterwulst krönt die Mauern des Pavillons und über demselben erhebt sich
das hohe steile Dach mit vier geneigten Flüchen. Auf der Vorder- und Hinterseite dieses Daches befinden
sich grosse hohe Dachfenster und an den Seiten desselben erheben sich Schornsteine. Die Firste des
Daches ziert eine zierliche Gallerie, die von Spitzknäufen begränzt wird. Die hintere Facade dieses
Pavillons ist der vorderen desselben ähnlich, nur befand sich hinten an der Stelle, die vorne die Statue
des Königs einnahm, die Statue Jacques Coeur's. Zur Rechten des Pavillons erhebt sich ein sehr zier-
licher achteckiger Thurm; auf dem Unterbau desselben befindet sich eine durchbrochene Brüstung mit
einem Schriftbande, das die an dem Gebäude oft wiederholte Devise enthält:

% vaiüam Coeurs*) riert ^bnpaööiMe,

eine Devise, die für den, der sie annahm, sehr bezeichnend ist.

Die Thür, die sich in der Seitenmauer des grossen Portals befindet (m. s. den Durchschnitt des
Pavillons), führt zu einer Art Vestibüle, in das man durch die Nebenpforte unmittelbar gelangt, und aus
diesem gelangt man wieder durch eine Thür zu der Wendeltreppe, die in die Kapelle leitet. Diese ist
der wichtigste Raum in der mittelalterlichen Wohnung überhaupt, und nimmt hier, wie man sieht, das
erste Stockwerk des Pavillons ein. Diese Kapelle, jetzt durch neuere Dispositionen sehr verunstaltet, ist
gewiss eine der lieblichsten, die man finden kann. Sie ist mit Kreuzgewölben überdeckt, deren Rippen
auf Kragsteinen ruhen, auf den Gewölbkappen sind Engel gemalt, die Schriftbänder in den Händen halten.
Die Thür der Kapelle ist mit Bogenzacken, die Wände derselben sind mit Nischen verziert, die jetzt leer
sind, ehemals aber die Statuen von Heiligen in sich aufnahmen. Zu beiden Seiten des Altares befinden
sich zwei kleine mit Caminen versehene Logen, deren jede durch ein Fenster erleuchtet wird. Diese
Logen, von denen man in den Bauwerken dieser Epoche mehrere Beispiele findet, waren für Coeur und
seine Gemahlin Marie von Leodepart bestimmt, um darin mit Comfort die Messe hören zu können. Der
Altar war unter dem grossen Fenster aufgestellt und gegen die hintere Fläche der Mauer angelehnt, die
den Fond der grossen Nische bildet.

Unsere Bildtafel von dem Durchschnitt durch den Hof zeigt uns die Facade von den beiden Haupt-
corps de logis, die ein achteckiges Thürmchen, welches die Haupttreppe enthält, von einander trennt; in
seinem obersten Stockwerk befindet sich eine Art kleiner Salon. Das Bauwerk rechts, das noch eine
besondere Treppe hat, die sich ebenfalls in einem polygonalen Thürmchen befindet, enthält einen grossen
Festsaal. Man sieht noch darin die Tribüne, die für die Musiker bestimmt wrar. Ein prächtiger Camin,
an dessen Pfeiler die Figuren des Adam und der Eva sculpirt waren, befand sich an der der Tribüne
gegenüber liegenden Seitenwand, ist aber heute zerstört. Das Bauwerk links vom Treppenthurm hat nicht
allein wie das andere ein Parterre- und ein erstes Geschoss, sondern auch noch ein Zwischengeschoss,
eine Art Entresol, über dem sich der Empfängssaal oder der sogenannte Galeerensaal befindet, der wahr-
scheinlich seinen Namen von den Gemälden erhielt, die man hier sah und die wahrscheinlich die Schiffe
darstellten, mittelst deren der Hausbesitzer seine Handelsgeschäfte betrieb.

Eine andere Bildtafel zeigt eben so die Facade und den Durchschnitt des Bauwerkes, das den Hof

In dem ersten Stockwerke desselben befindet sich der reiche Camin, den unsere

zur Linken begränzt.

Detailstafel in grösserer Zeichnung zeigt.

Auf derselben Tafel sehen wir auch die Facade des Gebäudes,
das den Hof zur Rechten einschliesst. Man bemerkt hier ein Thürmchen, über dessen Thür sich ein
Llelief befindet, das zwei Frauen in einer Küche beschäftigt darstellt. Dieses Thürmchen bildete den Ein-
gang zur Küche und deren Nebenräumen. Diese Weise, die Bestimmung der verschiedenen Theile eines
Gebäudes anzuzeigen, war im Mittelalter im Gebrauch. Im Hause Jacques Coeurs finden sich mehrere
Beispiele hiervon. So zeigen drei Reliefs mit religiösen Darstellungen noch beute den Weg zur Kapelle.
Durch solche Darstellungen wurden vortheilhaft die Inschriften zu einer Zeit ersetzt, wo es noch wenis,-
Leute gab, die lesen konnten.

Ungeachtet der Verstümmelungen, die das Haus des Jacques Coeurs in Folge seiner jetzigen Bestim-
mung zu erdulden hatte, ist es doch noch eines der interessantesten und der besterhaltensten des Mittel-
alters, das man sehen kann. Man findet darin noch eine Menge von Anzeichen über das Privatleben der
Bewohner, die so viel Anziehungskraft für den Archaeologen haben. Wenn jene Wahrheit, dass das

') Das Wort coeurs, das da fehlt, wird durch zwei Herzen ersetzt.
 
Annotationen