Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 9.1907

DOI Artikel:
Schultze-Naumburg, Paul: Naturverschönerung, [1]: Vortrag, gehalten auf der Jahresversammlung des Bundes "Heimatschutz" in München
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0010

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

DIE GARTENKUNST

IX, 1

nur kleine Nuancen, die wir in dem un-
geheuren Formenreichtum der Natur, die
unsere Erde trägt, hervorbringen konnten.
Aber es sind Spielarten, die deshalb für
uns wertvoll sind, weil sie mit dem
menschlichen Leben in viel nähere Be-
ziehung treten, als die übrige freie Natur.

Doch auf diese Art der Naturumwand-
lung, oder wenn man will, Naturver-
schönerung, habe ich es heute nicht ab-
gesehen. Die Präge, die ich stellen
möchte, ist die: kann man die Natur
durch harmonische Verbindung mit einem
Werke menschlicher Kunst verschönern ?
Ich glaube, dal's wir Menschen diese Frage
ganz unbedenklich mit ja beantworten
dürfen.

Es ist selbstverständlich, dafs es auf
unserer Erde Schönheiten gibt, die gerade
durch ihre Unberührtheit ihre reinen Reize
bewahren und die durch jedes Hinzu-
fügen von Erzeugnissen der Menschen-
hand nur verlieren können. Wenn wir

in die Fels- und Eiseinöden unserer Alpen Abb.Jl
steigen, so offenbaren sich uns dort Schön-
heiten von einer grofsartigen und seltsamen Natur, die uns Landes bestimmen, sind Menschenkunstprodukte. Man
gerade deswegen so mächtig ergreift, weil wir an ihrer Gröfse rechnet sie zwar nicht zur hohen Kunst, aber die allge-
die Winzigkeit unseres menschlichen Daseins zu erkennen meinen Kulturgedanken und der Gestaltungswille eines
vermögen. Je unentweihter wir sie erhalten, um so besser ganzen Volkes, das als Schöpfer dahinter steht, sind doch
für uns. Steigen wir aber in "die bewohnten Täler her- so mächtige und gewaltige und zeugen von einer so rieson
unter, so erkennen wir, dafs von dort an das Bild ein haften Bildnerkraft, dals wir eben doch in der Gestaltung
von Menschenhand mitgestaltetes ist. Denn die Wiesen, unseres Landes ein grofses Allkunstwerk sehen müssen.
Felder, Pfade, Stege und Brücken, die hier das Bild des wenn auch tausende und abertausende von Handlanger

händen die Ausführenden waren.

Tun wir einen Blick in irgend ein schönes
Tal unseres Landes (Abb. 1,) wie ich hier eines
unter tausenden zeige, so erkennen wir auf den
ersten Blick, dafs beinah alles, was hier
wesentlich zu den Bestandteilen des Bildes
gehört, menschliche Kunsterzeugnisse sind.
Denken wir uns sie fort: die Brücke des Vor-
dergrundes, dafs Dorf im Hintergrund, das
Torwächterhaus, die Strafsen mit ihren Baum-
reihen, die Gärten und das Schachbrett der
Felder, so würde ein Waldtal übrig bleiben,
das an sich zwar auch gewifs sehr schön
wäre, aber eben doch durchaus etwas anderes
vorstellte und jedenfalls der besonderen Schön-
heiten unseres ersten Bildes ermangelte. Wir
wollen aber in unserem Weltbilde beide nicht
entbehren. Fast ein jedes beliebige Bild aus
unserem Lande wird ähnliches bezeugen und
uns ins Gedächtnis zurückrufen, dafs die Ver-
bindung von menschlicher Kunst mit der Natur
neue Schönheiten geschaffen hat, die nicht
ganz einseitig als Kunstwerk betrachtet werden
können, sondern eben als Naturverschönerung
Abb. 4. Gegenbeispiel zu Abb. 3. durch Kultur. Man denke an das Bild irgend
 
Annotationen