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Die Gartenkunst — 9.1907

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Schulze, Otto: Die Szene in der Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0072

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66

DIE GARTENKUNST

IX, 4

Kampmann und Volkmann die der Bifel erschlossen haben.
So habe ich empfinden gelernt, daß es neben Wald schlechthin
auch schönen Wald gibt; nicht den in die Ebene hinein-
gesäten Kiefern- oder Eichenbestand, sondern den Wald,
durch den die Erdwellen ziehen, hier und da ungeheure
Findlinge gegen die Stämme schiebend, oder gar liebliche
Waldwiesen und kleine Gewässer in sich bergend wie ge-
hütete Kleinodien. Nicht die tausend und abertausend
Stämme bilden den Wald, sondern das, was unter deren
Kronen sich breitet. Das Auge will zwischen den Stämmen
suchen, ob der Wald Geheimnisse, ob er Schönheiten birgt.
Mir ist es oft genug, im Einerleigrün eine Birkengruppe,
einen, alten Steinbruch oder eine Kiesgrube zu entdecken,
die der Eintönigkeit eine Szenerie, der Luft einen Schall-
kessel einfügt. Und inmitten strotzender Waldriesen jungen
Nachwuchs oder vom Windbruch entwurzelte, vom Blitz-
schlag zerschmetterte Kolosse. Alles das umfaßt erst
Waldesgröße und Natur. Mögen wir Bilder der Heide oder
des Moors, des Meeresufers, des Ackerlandes oder des Ge-
birges heranziehen, es wird uns ähnlich ergehen, wie bei
der „Erfassung" des Waldes, nicht der Sammelbegriff läßt
in uns Schönheit aufkommen, sondern die Unterbrechung,
die Einschaltung, die Abweichung. Das einzelne Gehöft
mit zur Erde neigendem Dach, die Bodenerhebung oder
-Senkung mit Baumbestand, der Weiher mit Brlengebüsch,
ein blühendes Kartoffelfeld zwischen Korn und Rüben, eine
Talschlucht usw., ein am Horizont ziehendes Segel sind
die Szenerien, die Lusterreger für das Empfinden der je-
weiligen Schönheit in diesen durch Sammelnamen gekenn-
zeichneten Einheiten.

Wiese, Garten und Park zählen auch dazu, sie zählen
umsomehr dazu, je mehr sich Menschenkunst bemüht,
durch Häufen von Gleichheiten, Individuenmassen jene
Sammelbegriffe zu stärken. Auch hier kann nur die Szenerie
die unbedingt auslösende Stimmung schaffen, und zwar in
Übereinstimmung mit der Forderung „Zurück zur Natur".
Ich meine nun nicht die Gepflogenheit der Alten in dem
Einbauen von chinesischen Tempeln, künstliehen Grab-
stellen oder Ruinen, noch die Billigkeiten des Marktes in
Zwergen, Rehen, Hasen und Hunden aus Steinzeug, noch
die Schaffung von Bergen und Seeen in einem Gelände.-
daß die Vorbedingungen dazu nicht von vornherein erfüllt.
Ich bin mir auch darüber im klaren, daß ein Garten oder
ein Park von seiner landschaftlichen Umgebung ausgehen
muß, mit ihrer Art in Zwiesprache verbleiben muß, nicht
in sie als ein Fremdes hineingesetzt werden darf. Wo
man den Grundforderungen nicht gerecht wird, da retten
nicht Wasser- noch Steinkünste, noch Wiese, noch Blume,
noch Strauch oder Baum oder irgend eine Zutat vor der
inneren Leere dieses dem lieben Herrgott entrissenen
Bodens. Dann ist Natur immer besser als Kultur.

Es geht daraus schon hervor, daß nicht dem gewalt-
samen, dem gesuchten Einfügen von Szenerien das Wort
geredet sein soll, das würde ja meinen Absichten und Aus-
führungen gerade entgegen sein. Ich glaube hierbei, daß
das ein Fachmann alles ganz anders ausdrücken würde
und müßte, und daß diese meine „Fachschriftstellerei" an
sich ganz wertlos wäre, wenn der Fachmann in ihr nicht

etwas zu finden vermöchte, das, wenn auch nicht direkt
auf den Weg führt, so doch eine Spur zeigt, die ihn nicht
auf das Positive seiner Kunst stößt, sondern ihm ein leises
Klingen einer neuen Saite seiner Seele verrät: Anregung,
daß neue Möglichkeiten neue Lösungen zeitigen.

Ich glaube, daß nach dieser Seite das Arbeitsgebiet
der Gartenkünstler erweitert werden könnte, ja noch darüber
hinaus, wenn er versuchen würde, seine Gärten nicht als
eine Sonderheit für sich, sondern im Zusammenhange mit
dem bebauten Gelände, der engeren Nachbarschaft von
Wald und Wiese, Acker und Trift, oder wieder mit Ge-
bäuden höherer oder niederer Abmessung und ihren Höfen
oder Gärten, schaffen würde. Auch so können Szenerien
in die eigene Schöpfung mit hineingezogen werden, neue
Durchblicke und ideelle Gebietserweiterungen Perspektiven
voll wunderbarer Bilder erschließen. Aber auch im engsten
Rahmen vermag die Szenerie nach mancherlei Richtung
hin die gartenkünstlerische Idee zu vertiefen. Unsere
Brunnenanlagen und Teiche, Quellen und Wasserstürze,
ja die Aufstellung von Lauben, Gartenhäuschen, Lauben-
gängen und einzelnen Bänken geschieht häufig ohne inneren
Zusammenhang mit der nächsten Umgebung. Heute wird
ein reiner Mißbrauch mit vielen dieser Requisiten getrieben.
Ich erinnere nur an die Lauben, die in der Nähe des
Hauses bleiben, um ja von hier aus das ganze Grundstück
überwachen zu können, an Laubengänge (Pergolen), die
von Bäumen und Strauchwerk eingeengt werden, anstatt
Terrassen zu überspannen oder übersonnige Wegstrecken,
nüchterne Mauerfronten zu decken, oder durch ihr Ein-
schieben in gewisse Gartenteile Perspektiven zu ermög-
lichen. Eine Quelle, selbst wenn sie künstlicher Zuleitung
entspringt, muß durch die Aufführung ihrer Umgebung
eine Quelle ahnen lassen. Sie braucht nicht immer aus
unglaublichen Felsstücken und Grotten, die oft geologisch
geradezu das Vorhandensein von Wasser ausschließen,
hervorzusprudeln. Wie schön wirkt oft eine einfache Fassung
der Quelle zu ebener Erde, an einer Böschung oder in
einer betonierten Kiessenkung, im Gegensatz zu all den
banalen Wasserkünsten mit Reihern, Fischen und Fröschen
oder gar Seeungeheuern, die mit unsern feuchten Verhält-
nissen auch nicht durch Wasserspeihen in engeren Zu-
sammenhang gebracht werden können.

Mir scheint, daß in dieser Richtung auch die Garten-
architektur oft falsch verstanden worden ist, und zu
Unrecht zu Spaltungen unter den Gartenkünstlern geführt
hat. Es liegt ja im Worte selbst, daß der Garten als
solcher nicht gebaut, sondern angelegt werden muß, und
daß sich die Architektur dann auf das erstrecken muß,
was nicht notwendigerweise mit dem Bauen an sich wieder
zu tun, sondern überhaupt mit dem sich zu befassen hat,
was Kunst im höheren Sinne fordert, ohne Wachstum und
Lebensfähigkeit der Gartenanlage zu gefährden. So sind
auch Terrainbewegungen nur Erfordernisse der Garten-
architektur. Gartenarchitektur kann nur das umfassen,
was der Gartenkünstler. oder sagen wir Gartenarchitekt,
an eigentlichem Menschenwerk, das ist Kunst, in die von
ihm dafür aufnahmefähig gemachte Natur hineinstellt. Sei
das nun eine Bank, ein Brunnen, eine Vase, eine Sonnenuhr,
 
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