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Die Gartenkunst — 9.1907

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Riebe, H.: Der "wilde Garten" in England
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0097

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tX, 5

DIE GARTENKUNST

sie sogar in reichem Maße während der dunklen Monate die stolzeste Goldbandlilie im „American Garden"! — Es

und bis ins Frühjahr hinein, im Sommer wirken sie dann geht der Februar zu Ende. Kaum merklich gewinnen die

noch durch ihre schöne, zierliche Belaubung. Helleb. Strahlen der Sonne an Kraft — jedoch es ist das Zeichen

purpurascens ist ein schönes Gegenstück zur ersterer; sie zum großen Erwachen in der Natur. Unter mächtigen

stammt aus Ungarn, die Farbe ihrer Blüten ist kupferrot- alten Bäumen beginnt es sich zu regen, ebenso im Busch

bleifarbig. Es gibt eine ganze Reihe schöner Helleborus, bis zu den Hügeln hinauf und weit und breit auf den

die prächtigste unter ihnen dürfte Hell, colchicus Reg. sein; grünen Rasenflächen. In der Regel der erste Sonntag im

Aus den „Wilden Gärten" des Kgl. Botan. Gartens zu Kew: 2. Rasenabhang mit Narzissen.

ihre Heimat ist der Kaukasus, sie blüht dunkelrot von
Februar bis März. Gar oft in linden Wintern leisten den
Christrosen spätblühende Colchicum noch Gesellschaft.
Eine ganz prächtige, winterblühende Ranunkel ist Eranthis
hiemalis, die Winter-Aconit. Diese sowohl wie Helleborus
sind am besten unter großen Bäumen und Sträuchern,
wenn es sein kann an einem nach Süden gelegenen Ab-
hänge eines Hügels zu verwenden. Die Eranthis stecken
dann oft ihre schönen dunkelgelben Blumen durch den
Schnee. Nie vergesse ich den Anblick einer großen
Eranthiskolonie in Kew Gardens. Im Anfang Januar vorigen
Jahres bekamen wir, während noch etwas Schnee lag,
einige Tage warmes Wetter. Sofort waren die Eranthis
da und leuchteten weithin über die sonst winterliche
Landschaft. Sie fanden mehr Bewunderer als hernach

März ist dann in England der „Crocus Sundag". Selbst
die großen, englischen Tageszeitungen, die ja immer dem
Wetter und den Vorgängen draußen in der Natur eine
Spalte widmen, verkünden es, wie es „draußen" sich regt.
Dann kommen sie herausgeströmt aus der Millionenstadt,
aus Londons rauch- und nebelgeschwängerter Luft, um es
mit eigenen Augen zu sehen, das große Wunder der Natur!
Es gibt wohl kaum ein Volk, bei dem Blatt und Blume in
so hohem Ansehen, ja geradezu in Verehrung stehen, wie
bei dem englischen. Um das beurteilen zu können muß
man selbst im Lande und zwar längere Zeit und wo-
möglich als Gärtner gewesen sein. An einem einzigen Tage,
an einem sog. „Bank Holidag" im Frühling, wurden an
den Eingängen zum Kew Garden in der Zeit von 10 Uhr
morgens bis 7 Uhr abends 113 000 Menschen registriert!
 
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