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Die Gartenkunst — 9.1907

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Riebe, H.: Der "wilde Garten" in England
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0101

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IX, 5

DIE GARTENKUNST

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Osten haben wir in letzten Jahren eine große Anzahl angehörte, einen Ausflug zum Botanisieren nach dort zu

Neueinführungen zu verzeichnen, die, wenn richtig ange- machen. Die prächtigen, am Flußufer und an bergigen

wandt, unseren wilden Gärten und Felspartien zur großen Hängen gelegenen Parks besitzen eine große Anziehung

Zierde gereichen. Fast jeden Tag noch bringt uns die für Botaniker. Denn vermöge ihrer „wilden" Beschaffen-

Post Neues und Wunderbares namentlich aus dem großen heit und der Liebe des Besitzers am rein natürlichen Stil

„Reich der Mitte". Der mir persönlich befreundete Mr. B. kann man hier im Umkreise von ca. 6 Meilen (engl.) an

H. Wilson, der bekannte und unermüdliche Chinareisende, 5—600 Spezies der britischen Flora sammeln. Unter be-

der uns unter vielem anderen das Meconopsis integrifolia währter Führerschaft des „Steward" (Verwalters des Ganzen)

Aus den „Wilden Gärten" des Kgl. Botan. Gartens zuKew: 6. Rhamondia pyrenaica zwischen Gestein.

brachte, ist eben jetzt auf seiner 3. Forschungsreise nach
China begriffen. Den Resultaten seiner diesmaligen,
2 jährigen Tour, die sich bis nach Tibet hinauf erstrecken
soll, kann man mit größter Spannung entgegensehen.

Wenn dann die ersten Frühlingsmonate mit ihrer er-
frischenden Pracht vergangen sind und Mai und Juni
mit ihrem Blütenreichtum an Goldregen, Rhododendron,
wilden Rosen und hundert anderen blühenden Bäumen,
Sträuchern und Stauden uns noch frisch im Gedächtnis
stehen, dann bietet unser wilder Garten in den Sommer-
monaten ein ganz verändertes Bild dar. Als das Ideal
eines wilden Gartens zur Sommerszeit möchte ich eine bei
Henley im Themsetal gelegene Besitzung anführen.
Während meines Aufenthaltes in Kew hatte ich das Ver-
gnügen, mit dem British-Botanyclub, dem ich als Mitglied

der selbst ein „Old Kewite" ist, war es uns möglich, in
einem Tage die schönsten und wichtigsten Punkte der aus-
gedehnten Anlagen zu erreichen und unsere Botanisier-
trommeln zu füllen. Das Brdreich ist warm und kalkhaltig,
der Kalkfelsen tritt zuweilen an den steilabfallenden Flußufern
zutage. Hier und dort klimmen Waldreben (Clematis) in
armdicken Strängen bis zu den höchsten Baumwipfeln
hinauf. Zahlreiche andere Schlinger gesellen sich zu
ihnen, an den Zäunen gewähren reichblühende Hecken-
winden ein liebliches Bild. In den feuchteren Gründen
wachsen Orchis in Mengen und in mehreren Spezies. Auf
den Parkwiesen war man bei der Heuernte. Hier und da
waren unter Bäumen oder am Gehölzrande Plätze abge-
steckt, wo der Sense Einhalt geboten war — denn hier
standen „wilde" Lieblinge des Besitzers, die man ange-
 
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