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Die Gartenkunst — 9.1907

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Glogau, Arthur: Gesetzentwurf gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0126

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120

DIE GARTENKUNST

IX, 6

glaubt man verneinen zu müssen. Man beruft sich auf die
verfassungsgemäß gewährte Unverletzlichkeit des Eigentums.
Dem möchten wir entgegenhalten, daß das Eigentum im
Interesse der Allgemeinheit gar manchen Beschränkungen
unterworfen ist. Wir wollen nur auf einige Beispiele hin-
weisen : Man nimmt als selbstverständlich hin, daß der Eigentümer
von Tieren nicht Tierquälerei treiben darf, daß er bei an-
steckenden Tierkrankheiten zu Vorsichtsmaßregeln gezwungen
ist. Ganz besonders aber ist das Grundeigentum vielfach be-
schränkt: z. B. durch Bergrecht, Wasserrecht, Jagdrecht, durch
militärische Rücksichten. Und einen besonders starken Ein-
griff erhalten die Gesetze über Seperation (Verkoppelung); da
wird auf Antrag eines Teiles der Grundbesitzer, in manchen
Ländern eines Viertels, der andere Teil gezwungen, die Sepe-
ration mitzumachen, darein zu willigen, daß die Grundstücke
ganz anders gelegt werden, daß er für die seinigen ganz andere
erhält und daß er obendrein Kosten zahlen muß.

Wenn im Interesse der Allgemeinheit so viele Be-
schränkungen des Eigentums schon in Geltung sind, muß es
da wirklich als ein Unrecht erscheinen, wenn im Interesse der
Allgemeinheit auch Bauausführungen verboten werden, die
einzelne Bauten der Ortschaften und landschaftliche Schön-
heiten verunstalten? Wird damit nicht vielmehr eine Rechts-
lage geschaffen, wie sie für einen modernen Staat einzig und
allein erstrebenswert ist?

Ehrerbietigst
gez. Paul Schultze-Naumburg, Professor,
Vorsitzender des Bundes Heimatschutz.

Eingabe der Deutsehen Gesellschaft
für Gartenkunst zu dem Gesetzentwurf gegen die Ver-
unstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervor-
ragenden Gegenden.

Dem hohen Hause der Abgeordneten zu Händen der
12. Kommission

gestattet sich der unterzeichnete Vorstand im Namen der
Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst ehrerbietigst die Bitte
zu unterbreiten:

Das hohe Haus möge in dem zur Beratung und Be-
schlußfassung vorliegenden Gesetzentwurf gegen die
Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich her-
vorragenden Gegenden Bestimmungen aufnehmen, durch
welche eine künstlerisch einwandfreie, der ästhetischen
Tendenz des Gesetzes nachkommende Beurteilung der'
gegen Verunstaltung zu schützenden Ortschaften und
Gegenden gewährleistet wird.
Seit Jahren hat die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst
(früher Verein deutscher Gartenkünstler) alle Bestrebungen
auf das eifrigste eingehend erörtert und unterstützt, die die
Pflege des Heimatschutzes zum Ziele haben, soweit diese auf
die Erhaltung landschaftlicher Schönheit, historisch wertvoller
Schöpfungen der Gartenkunst und naturwissenschaftlich be-
deutungsvoller Naturgebilde gerichtet sind.

Vor kurzem hat der Vorsitzende des Heimatschutzbundes,
Prof. Schultze-Naumburg, in seiner Eingabe vom 10. März 1907
an die Kommission den Standpunkt dieses Bundes eingehend
begründet. Wir schließen uns diesen Ausführungen voll an.
Unsere ehrerbietige Eingabe soll jedoch den Zweck haben, auf
die Notwendigkeit der sachgemäßen Beurteilung bei der Aus-
führung der Bestimmungen des Gesetzes hinzuweisen und
derartige Bestimmungen in das Gesetz aufzunehmen.

Gleich wie dem Maler, Bildhauer und Architekten infolge
seiner Schulung und seiner Begabung für die seiner Kunst

naheliegenden Kunst- und Naturobjekte eine schärfere Be-
urteilungsfähigkeit zugestanden wird, als dem gebildeten
Laien, so muß anerkannt werden, daß dem geschulten, fein
empfindenden Landschaftsgartenkünstler eine größere Be-
fähigung bei der Beurteilung landschaftlicher Schönheit zuge-
standen werden muß, als demjenigen, dem nicht das Studium
landschaftlicher Schönheit Lebensaufgabe ist.

Wird der vorliegende Gesetzentwurf zum Gesetz, so ist
bei der Ausführung desselben die Beurteilung, was landschaft-
lich schön ist, von größter Bedeutung, und wird in jedem
einzelnen Falle zu prüfen sein, in welcher Weise die wirt-
schaftlichen Interessen mit den ästhetischen Grundgesetzen zu
vereinbaren sind. Gerade in diesem Punkte zeigt der von uns
allgemein mit großer Freude begrüßte Gesetzentwurf eine
Lücke, die auszufüllen wir für eine der vornehmsten Aufgaben
des Gesetzgebers halten.

Der Entwurf bezeichnet die Ortspolizei als diejenige Be-
hörde, die darüber zu entscheiden hat, was künstlerisch schön,
was landschaftlich schön, was überhaupt ästhetisch schön ist.
Bei allem schuldigen Respekt vor dieser Obrigkeit können wir
es nicht unterlassen, Zweifel in die Zuständigkeit dieser Be-
hörde in ästhetischen Fragen zu setzen. Es ist möglich,
daß bei vorkommenden Fällen die Ortspolizei den Rat des
Fachmannes einholen wird, aber es ist keine Bestimmung vor-
handen, die eine sachverständige Begutachtung zur Pflicht
macht. Eine derartige Bestimmung in das Gesetz aufzu-
nehmen, ist der Zweck der vorliegenden ehrerbietigst über-
reichten Eingabe.

Wird es aber der Ortspolizei schon schwierig werden,
ohne Sachverständigen die Entscheidung bei der Beurteilung-
landschaftlicher Schönheit zu treffen, so wird dieses noch
schwieriger, ja, unmöglich werden bei Entscheidungen, die
historisch wertvolle Schöpfungen der Kunst betreffen. Wohl
bestehen Gesetze und Verordnungen, die historische Baudenk-
mäler schützen; auch der Schutz von Naturdenkmälern ist in
gewissem, vorwiegend botanischem Sinne durch die Errichtung
der staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege gewährleistet,
aber den Schutz historischer Gartenkunstschöpfungen bezweckt
bisher noch kein Gesetz, noch keine Verordnung.

Eine große Anzahl hochinteressanter Gartenschöpfungen
befinden sich in fiskalischem und Privatbesitz, z. B. unter-
stehen die für die Geschichte der Kunst bedeutsamen Anlagen
zu Marienwerder bei Hannover und Abtei Loccum der Kloster-
kammer zu Hannover. Diese Parks stehen in Gefahr, ihrer
Schönheit und Eigenart vollkommen verlustig zu gehen, in-
folge des allzu starken Uberwiegens der wirtschaftlichen
Interessen. Es erscheint außerordentlich wünschenswert, Be-
stimmungen in das Gesetz aufzunehmen, durch welche der-
artige Kunstschöpfungen zu schützen sind vor ästhetisch un-
begründeter Zupflanzung oder Verwachsung von Sichten und
Flächen, Abholzung wichtiger Pflanzungen, Errichtung von
Nutz- und Zierbauten, durch welche der Gesamtcharakter ge-
fährdet wird.

Von ebenso großer Bedeutung ist die ästhetische Be-
wertung der Forstbewirtschaftung.

Immer dringender werden Forderungen laut, die dem nur
materiellen Nutzen erstrebenden Forstmann die Pflege des
Waldes mehr als bisher zur Pflicht machen. Ganz besonders
wichtig ist die Berücksichtigung ästhetischer Bedenken bei
der Anwendung von Kahlschlägen. Diese forstwirtschaftliche
Betriebsform sollte in solchen Gebieten, welche Tausenden
und Abertausenden als Erholungsstätten dienen, durch gesetz-
liche Bestimmungen überhaupt verboten werden. Es sei hier
auf einige Landschaften des Harzes, Thüringer Waldes, Lau-
 
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