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Die Gartenkunst — 9.1907

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IX, 6

DIE GARTENKUNST

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zwischen den einzelnen Balkonbesitzern bisweilen ein Wettstreit
und mit noch größerem Rechte hat man Wettbewerbe für gut
ausgeführten Balkonschmuck erlassen. Anfangs ist man in diesen
Wettbewerben nicht mit darauf eingegangen, von wem der
Balkonschmuck herrührt, heute unterscheidet man mit Recht
zwei Klassen, solche die von Berufsgärtnern und solche, die
von Balkonbesitzern angelegt und gepflegt sind. Weiterhin
auch trägt man der besonderen Lage des Balkons Rechnung,
ob er sich beispielsweise in einer Fabrikgegend oder an einer
Nordwand befindet usw. Überall aber hat man zur Bedingung
gestellt, daß der Balkon von der Straße aus gut sichtbar ist
und zur Verschönerung des Straßenbildes beiträgt. Bewertet
wird meistens nach 10 Punkten, die jeder Preisrichter für sich
allein schätzt. In größeren Orten scheidet man vorher durch
Einzelausschüsse aus und bringt nur das alsdann noch Ver-
bleibende zur Beurteilung dureh die Preisrichter. Dieses mit
so hervorragenden Erfolgen anderwärts ausgeführte Verfahren
ließe sich auch für Berlin verwirklichen, nur müßte man sich
dann lokal oder sachlich begrenzen, z. B. innerhalb der Be-
amtenwohnungsvereine, der Spar- und Bauvereine usw.

Die Blume am Fenster wird man in den wenigsten
Wohnungen ganz vermissen. Selbst in den dumpfigen, übel-
riechenden Arbeitskellern und Kellerwohnungen unserer Groß-
städte findet man noch die Allerweltspflanze, die Pelargonie
oder die Auferstehungsblume, das Schilfblatt und den Blätter-
kaktus. Ja, manchmal hat man den Eindruck, als ob gerade
in dieser Luft die Pflanzen am besten gedeihen. Wie solche
blühenden Pflanzen schon dazu beitragen, das Düstere unserer
großstädtischen Mietskasernen zu mildern, so noch mehr der
Blumenflor der Mansardenfenster. Die feuerroten Blüten der
Pelargonie, die gelben der spanischen Kresse, sie leuchten wie
verkörperte Sonnenstrahlen und es wäre sehr erfreulich, wenn
man die Lust zur Pflanzenpflege, deren ethischen Wert man
nicht unterschätzen wolle, gerade unter den Bewohnern unserer
Mietskasernen recht heben könnte. Die Gesellschaft der
blühenden Fenster in Paris verfolgt diesen Zweck. Unsere
Vereine, die die Schulkinder zur Pflege der Blumen anhalten,
nützen auch bereits nach dieser Richtung hin, aber noch immer
wäre ein Mehr gerade in Deutschland am Platze. Wie
freundlich solch Blumenfenster wirkt, das zeigen uns am aller-
deutlichsten die Wohnwagen der herumziehenden Artisten, die
Kajütenfenster unserer Flußschiffe.

Auch im Fensterschmuck haben wir zu unterscheiden, ob
er für die Straße oder für das Zimmer im wesentlichen be-
rechnet ist. Nach außen bedarf es der Fensterkästen, für die
ebenfalls wieder Holz vorzuziehen ist. Wünschenswert ist es,
Doppelkästen zu haben, nach außen solche, die man mit herab-
hängenden Pflanzen besetzt, nach innen solche, die aufrecht-
stehende blühende Topfpflanzen aufnehmen. Im Winter muß
der Außenkasten verschwinden und dafür der Raum zwischen
den Doppelfenstern uns dienen. Hier läßt sich wirklich im
kleinen recht viel schaffen, nur wäre es außerordentlich
wünschenswert, daß auch gerade hier unsere Baukünstler uns
größere Breite des Raumes schüfen. Die Auswahl der Pflanzen
für das Fenster ist fast unbeschränkt. Neben all den Blüten-
pflanzen und den Zimmergewächsen, den Tulpen, Hyazinthen,
Maiglöckchen, Schwertlilien, kann man Blattpflanzen, Palmen
und Farne, ja selbst so reizvolle Gebilde wie die Orchideen
ziehen. Die Wahl zu treffen ist nicht schwer. Sie untersteht
der Hüterin des Hauses, der Schöpferin des traulichen Heims.
Denn zur Traulichkeit unseres Heimes trägt die Pflanze das
Beste mit bei, wenn die Hand einer richtigen Frau vom Hause
sie stellt.

Zur 200. "Wiederkehr des Geburtstags
Carl v. Linnes.

Linne, geb. am 23. Mai 1707, ist einer jener Großen, dessen
Lebenswerk sich unzerstörbare Bedeutung für die gesamte
Naturwissenschaft bewahrt hat. Die Vorliebe für Botanik war
in ihm von Jugend auf so stark, daß er auf der Schule, in
Wexiö, zu den schlechtesten Schülern gehörte. Ja, wenn nicht
der Arzt Dr. Rothmann mit seinem Rat bei Linnes Vater, der
Prediger in R&shult in Schweden war, durchgedrungen wäre,
würde Linne zu einem Schuster in die Lehre gegeben worden
sein. Aber so konnte er, zwanzigjährig, die Universität Lund
beziehen, um Medizin zu studieren, und im nächsten Jahre
trotz schwieriger pekuniärer Verhältnisse Upsala. Hier lernte
er den Orientalisten Olaf Celsius kennen, der ihn unterstützte
und ihm seine Bibliothek zur Verfügung stellte. In dieser
fand er eine Abhandlung von Vaillant, in der auf die Geschlechts-
organe der Pflanzen als Fundament zu einer Einteilung hin-
gewiesen wurde. Durch diese Arbeit erhielt Linne die erste
Anregung zum Aufbau eines neuen Pflanzensystems, seines
späteren Sexualsystems. Durch Celsius wurde er auch mit
dem Professor der Botanik in Upsala, Rudbeck, bekannt. Durch
dessen Unterstützung und als sein Vikar durfte Linne 1730 seine
erste Vorlesung über Botanik halten, besuchte auf Betreiben
seiner beiden Gönner im Auftrage der wissenschaftlichen Ge-
sellschaft Lappland und Dalekarlien, und begab sich 1735 nach
Holland. Hier promovierte er am 24. Juni zum Doktor der
Medizin. Während dieser Zeit gab er eine kleine Schrift her-
aus, Systema naturae, die die Begründerin seines Ruhmes wurde.
Zugleich wurde er in Leiden mit dem Arzt Boerhave bekannt
und durch seinen Einfluß erhielt Linne die Verwaltung des
Gartens und der Bibliothek von Georg Cliffort, jenes Amster-
damer Bürgermeisters, für den er bald darauf eine Reise nach
England unternahm. Nach kurzem Aufenthalt in Paris ließ
sich Linne 1738 als Arzt in Stockholm nieder. Allmählich erst
kam er in Ruf, erhielt eine Berufung als Professor der Medizin
an die Universität Upsala und blieb bis 1742 Mediziner. Dann
übernahm er die Vorlesungen über Botanik, ließ den botanischen
Garten restaurieren, gründete ein naturhistorisches Museum
und war ein ungemein anregender Lehrer. 1762 wurde er in
den Adelstand erhoben. Aber seine Gesundheit war bereits
untergraben. Er hatte Gicht und Gallensteine und erlitt im
Mai 1774 einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr ganz
erholte. Die letzten Lebensjahre bedeuteten nur eine allmähliche
Auflösung, und am 10. Januar 1778 trat der ersehnte Tod ein.

Er besaß ein wunderbares Geschick, mit unzweideutiger
Klarheit klassifizieren zu können, und dieser Gabe ist das un-
sterbliche Verdienst Linnes zu danken, daß er in den botanischen
Wirrwarr, wie er bis dahin herrschte, Ordnung zu bringen ver-
mochte. Er war der erste, der das bisher Geleistete zu einem
festen Gefüge zusammenschweißte und durch konsequente
Durchführung systematisch zusammenhielt. Linne teilte das
Pflanzenreich ein nach den Eigenschaften der Staubgefäße und
Karpellen; es war also ein Sexualsystem. Aber er selbst hat
freimütig bekannt, daß dieses künstliche System nur als Not-
behelf, um zunächst wenigstens Ordnung in der unentwirrbaren
Benennung und Klassifizierung zu schaffen, Geltung haben
könne, bis ein nach natürlichen Verwandtschaften geschaffenes
System gefunden sei. Und er selbst war es, der ein Fragment
hierzu, auf dem Jussieu weiterbaute, geliefert hat. Bei der
Beschreibung hat er das Latein in meisterhafter Prägung
und klarer Kürze angewandt. Jeder Pflanze gab er zwei
Namen. Nach dieser sogenannten binären Nomenklatur be-
zeichnete der eine Namen die Gattung, der andere die Art.
Und mit einem Schlage war alles Durcheinander und alle Un-
 
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