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Die Gartenkunst — 9.1907

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Widmer, Karl: Die Sondergärten des Prof. M. Läuger auf der Mannheimer Gartenbauausstellung: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0198

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192

DIE GARTENKUNST

IX, 10

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Sondergärten des Prof. M. Länger auf der Mannheimer Gartenbauausstellung: Lageplan. (Die eingeschriebenen Zahlen entsprechen den Bildern.)

die ästhetische, aber auch die praktische Seite des Garton- gebundene Natur geben, sondern nach architektonischen
baues in ganz besonders hohem Maße entwickelt. Der Gesetzen gobundeno Natur, stilisierte Natur, eine Natur,
Engländer hat es sich nicht nehmen lassen, und ist nicht welche das Einwirken, das Bauen der menschlichen Hände
durch Polizeivorschriften gehindert, seinen Garten mit in allen Formen zeigt. Denn Stil ist in letzter Hinsicht
einer hohen Mauer oder einer Buchswand von der Straße die Unterwerfung der Natur unter die Gesetze des mensch-
abzuschließen, so daß er mit seinem Garten gewisser- liehen Geistes, Stil ist das Aufprägen menschlicher Ge-
mäßen in einem großen Räum eingeschlossen und von danken auf das von der Natur golieferte Material. Diese
der Straße abgeschlossen ist. Ohne Zweifel ist das ein Art von Garten, der Stilgarten, der architektonisch emp-
schöneres, jedenfalls vom Standpunkt des Bewohners fundene Garten war ja das Erbe einer uralten Kultur,
empfehlenswerteres Prinzip, und wir müssen bedauern, Diese Kultur reicht viele tausend Jahre zurück bis zu den
daß uns unsere Polizeivorschriften zwingen, die Garten- alten Ägyptern und Assyriern, also soweit wir überhaupt
umzäunung so nieder zu halten, daß man von der menschliche Kultur vorfolgen können. Diese Tradition
Straße in den Garten hineinsehen kann. Ich erinnere hat nur vorübergehend Unterbrechungen erfahren, zu
auch an die südlichen Gärten, an die orientalischen, an- Zeiten, wo der Geschmack verwildert ist und diese alte
tiken Gärton, die sich auch auf diese Weise durch eine Tradition dem naturalistischen Landschaftsgarten schon
hohe Mauer von der Straße abschließen. in früherer Zeit vorübergehend Platz gemacht hat. Aber
Also der Gärten ist seinem Zweck nach eine Art von er- im großen und ganzen geht der Faden dieser Tradition und
weitertem Haus, also ein Werk von Menschenhand, der Garten diese alto Kultur durch die Jahrtausende hindurch beinah
ist eine Art von Architektur, die allerdings mit einem ununterbrochen, bis sie vor hundert Jahren sehr rasch,
lebenden und wachsendem Material schafft und folglich beinah unvermittelt abbrach. Auf den letzten Zeugen der
auch die architektonischen Gesetze in einem etwas freieren alten Gartonkultur, den Rokokogarten folgte der moderne
Sinne auffassen kann. Man braucht nicht so weit zu Landschaftsgarten. Daneben führte der Stilgarten im
gehen, wie etwa das 17. oder 18. Jahrhundort, das nun Biedermeiergarton noch eine Zeitlang ein bescheidenes Da-
jeden Baum in eine Kugel oder Pyramide verwandeln sein fort. Seine letzten Ausläufe finden wir noch heute
wollte. Man kann dem freien Wachstum der Pflanzen in manchen Bauerngärten. Die neue Botschaft, daß der
bis zu einem gewissen Grade, den das künstlerische Takt- Garten die Wiederholung der wilden Landschaft, der
gefühl vorschreiben muß, schon freien Spielraum lassen, freien Natur im kleinen sein soll, kam damals von Eng-
Aber der Grundgedanke einer Gartenanlage und speziell land herüber; das wissen Sie ja alle, das ist ja alles alt-
einer Hausgartenanlage, dio sich eng an das Haus an- bekannt: die neue Gartenform wurde darum der englische
schmiegt, muß ein architektonischer sein. Es mag sich Garten genannt und es ist bezeichnend, daß nun auch
anders gestalten, wenn der Garten zum Park wird, wenn die Wiederanknüpfung an die alte Tradition des Stilgartens
der Garten immer mehr in dio Natur, in die wirkliche von demselben England herübergekommen ist. Wie die
Landschaft hinauswächst; dann natürlich lockern sich mit Dinge heute liegen, sind aber unsere Berufsgärtner im
der Entfernung vom Haus und mit der Ausdehnung des wesentlichen noch hartnäckige Anhänger des Landschafts-
Gartens zum Park auch diese Gesetze. Also mit andern gartens. Die neuentdeckte Kultur des Stilgartens ver-
Worten: der Garten soll nicht die Natur imitieren mit danken wir Nichtgärtnern, nicht eigentlichen Fachleuten,
allen ihren Willkürlichkeiten, er soll nicht freie und un- In England waren es Architekten wie zum Beispiel der
 
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