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Die Gartenkunst — 9.1907

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Schulze, Otto: Der Sondergarten von Fr. Henkel, Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0226

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220

DIE GARTENKUNST

IX, U

sondern ein Parkausschnitt, ein Parkwinkel einer groß-
herrschaftlichen Anlage, oder — ohne seine Steinkunst
— ein Teil einer botanisch-wissenschaftlichen Siedelung,
einer Floragesellschaft und dergleichen. Kein Mensch
würde sich ein gleich großes Gelände gärtnerisch so auf-
teilen lassen, auch wenn die natürlichsten Vorbedingungen
dazu geboten schienen.

Und doch haben wir es in und an sich mit einer
Leistung zu tun, der wir neben dem aus der Kritik ver-
bleibenden Lobe nur Bewunderung zollen können. Da
mag vieles auf den ersten Blick etwas exotisch anmuten,
man denkt an Japan, Indien und Siam, um beim Anblick
der mächtigen deutschen Laubkronen wieder in die Hei-
mat zurückzukehren. Kein anderer Gartenkünstler, be-
halten wir dieses Wort getrost bei, hat sich wohl mit
dem Gelände und seinem Vegetationsbestand, namentlich
an schönen alten Bäumen, so abzufinden gewußt wie
Henkel. Natürlich haben größere Erdbewegungen und Neu-
pflanzungen stattfinden müssen, um ein so geschlossenes
Bild üppigsten, strolzendsten Wachstums zustande zu
bringen. Hier hat das Werden eine ebenso große Rolle
gespielt wie das Erhalten in der Gestaltung. Der Gärtner
sieht hierbei die Zukunft in der Gegenwart; der Auch-
gärtner wartet ab, was daraus werden möchte; mit vielen
Rissen ist auch hier nicht geholfen. Ist es schon eine
große Kunst, sich mit Vorhandenem in der Natur abzu-
finden, sein Daseinsrecht zu respektieren, so eine noch
viel größere, das Hinzukommende maßstäblich damit in
Übereinstimmung zu bringen. Als ich kürzlich in unserer
Zeitschrift meine kleine Studie über „Die Szenerie in der
Gartenkunst" veröffentlichte, da dachte ich noch nicht an
Mannheim und seine Überraschungen. Hier fand ich viele
Einzelheiten bestätigt; mehr als das; ich fand eine
Steigerung wie wohl nur wenige auf die Dauer sie aus-
zuhalten vermöchten. Aber Henkel tat recht daran, er
mußte darauf bedacht sein, die stärksten Eindrücke zu
hinterlassen. So will es die Ausstellungskunst, mit der
eine berühmte Großgärtnerei in die Schranken zu
treten hat.

Henkel hat an dem jungen Architekten Kurt Hoppe
in Mannheim einen tüchtigen Mitarbeiter gefunden, der
sich eben so sehr in die Absichten des Gärtners hinein-
fand, wie dieser selbst in die Wünsche des Architekten.
An manchen Stellen des märchenhaften Gartens hat man
zwar das Gefühl, daß ein überaus angespanntes Messen
der Kräfte stattgefunden habe, bei dem wechselnd der
Gärtner oder der Architekt einen besonderen Trumpf als
Sieger ausspielte; mir will es scheinen, als habe dieser
wie jener oft mit zu vollen Händen gespendet. Die Kunst
im Garten muß auch hier wörtlich genommen werden.
Sie bildet auch hier das Zugegebene, das in die Natur
Hineingetragene. Vielleicht hätte manches Steinmonument
herausbleiben können zugunsten der an sich ganz reiz-
vollen kleinen Architekturen, die zum Genießen der An-
lage aufforderten; die Gesamtanlage würde damit noch
gewonnen haben an Größe und Einheit, in der Zusammen-
ziehung einzelner Partien. Man glaubt gar nicht, wie
wenig ein echter Garten an hineingetragener Kunst bedarf.

Aber die Architekturen selbst wraren glücklich gewählt,
geschickt gelöst und äußerst vorteilhaft verteilt. Hier
zeigte der Architekt in allem eine glückliche Hand. Die
ausgedehnte Pergola, die den Henkel-Garten nach dem
Kaffeegarten des Zillertals mit dem ekelhaften Brunnen
abschloß, war ein Scbachzug ersten Ranges, um das große
Gesamtbild zur Ruhe zu bringen und nach Belieben partien-
weis wieder aufzulösen.

Daß der Garten nach den übrigen Seiten offen blieb,
ist mit Recht zu tadeln, denn er ging stellenweise zu sehr
in das übrige Gelände über und zog Teile damit zu sich
heran, die nicht immer zu ihm paßten. Aber Henkel
durfte sich diese Freiheiten eher leisten als irgend ein
anderer. Wäre Schultze-Naumburgs Garten ohne die hohe
Mauer gewesen? Sie schloß einen Rest schöner Er-
innerung ein; mehr nicht. Der Henkeische Garten würde
noch mehr gewonnen haben, wenn er ganz zwischen großen
Baummassen mit starkem Unterholz hätte eingebettet
werden können. Jenseits der Pergola konnte es dann
auflichten, in niedrige Bepflanzung mit Wiesenflächen
übergehen. Wir sehen daraus, daß trotz aller ehrlichen
Anstrengung immer noch manches übrig bleibt, das der
Kritik Angriffspunkte gewährt. Lieferten wir stets Vol-
lendetes, wo bliebe der Fortschritt. Sei das auch ein
Trost für die, die uns in Mannheim enttäuschten.

Henkel hat seine Kulturen, die aufzuzählen über den
Rahmen dieses kleinen Aufsatzes weit hinausgehen würde,
mit seltenem Geschick, mit liebevollster Hingabo, ja mit
zum Teil raffiniertem Egoismus ans Licht zu bringen ge-
wußt, die damit gesteigerte Pflege nicht scheuend. Hier
berührten sich Gegensätze, stießen einander nicht ab; es
war eben die Ausstrahlung gärtnerischer Kunst bis in die
feinsten Lebensbedingungen hinein. Trotz der AVasser-
flächon keine grellen Lichthärten, die Baumschatten dämpften
wieder, das satte Grün ließ Blütensterno aufleuchten in
allen Farben. Vor der mächtigen, wie in Gold getauchten,
mit Grün und Blüten behangenen Pergola breitete sich
der Teich, dahinter gliederten sich die Baumgruppen,
bargen sich die eingebetteten kleinen Architekturen. War
man von Sonnenglanz begünstigt, dann waren der Phan-
tasie keine Grenzen gezogen; und stiegen abends die
webenden Dünste vom Wasser auf, dann bauten sie den
Träumen Brücken.

Das mag eitel Sinnen sein, und doch ist es koins.
Und doch, geht nicht all' unser Wünschen auf eine Spanne
Land, über die sich ein Stückchen Himmel wölbt? Und
möchten wir dann darauf nicht lieber Blumen denn Steine
haben, nicht lieber lastende Zweige denn ragende Götzen!
Und möchten wir dann das Ganze nicht lieber Garten
denn Hof nennen? Was macht der Bauer aus seinem
Garten, was machon wir daraus. In den Stuben starrt
uns dann etwas Ähnliches an, aber kein Leben, nichts aus
Gottes gütiger Hand, das wir pflegen und lieben könnten.
Damals, wir vermögen es kaum nachzudenken, als der
Garten sich an unsere Häuser herandrängte, sich vom
Acker trennte, bat er, man möge ihm doch die Steine
nehmen. Heute werfen wir sie wieder hinein und nennen
das Kunst.
 
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