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Die Gartenkunst — 9.1907

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IX, 12

D] E G ARTENKUNST

249

Arren an der Baumgrenze.

gleich mit dem Gedanken an den Platz des Schreibtisches
das Musikzimmer zugleich mit vernünftiger Aufstellungsmög-
lichkeit des Flügels räumlich formt, ja sogar die Morgensonne
als stimmungsvollen Faktor beim Frühstückskaffee dabei nicht
außer Acht läßt, den gesundheitlichen und wohnlichen
Forderungen und dann der häufig vernachlässigten Beziehung
der Räume zu einander besondere Aufmerksamkeit zuwendet
— indem er so auf die Einzelheiten, auf die so wichtigen
Kleinigkeiten, auf die zarten Feinheiten des Lebens eingehend,
von innen heraus, aus dem inneren Sinn und Zweck des Land-
hauses als etwas Selbstverständliches auch seine äußere Gestalt
sich kristallisieren läßt, zeigt er sich uns als ein fein durch-
gebildeter Baukünstler.

Daher kann es uns nicht befremden, daß Muthesius hin-
sichtlich des Gartens ebenso hohe Anforderungen stellt. Man
kann ihm ganz zustimmen, wenn er Haus und Garten als
organische Einheit betrachtet wissen will und daß daher auch
beide „von demselben Geist ersonnen sein müssen" (p. XXV).
Jedoch m. E. mit der Bedingung, daß dieser eine Geist auch
das Baumaterial von Haus und Garten beherrscht, weil er nur
in dem Fall beide zu gestalten, zu bauen vermag. Diese Be-
dingung scheint mir aber der Verfasser außer Acht zu lassen,
wenn er auf der erwähnten Seite schreibt: „Es läßt sich er-
hoffen, daß im Verlauf einiger weiterer Jahre der Gedanke der
Einheit von Haus und Garten allgemeiner geworden sein wird
und daß auch die Gärtner sich dann bemühen werden, sich
dem Gedankenkreise der Künstler dienstbar zu machen."
Diesem Wunsch kann ich deshalb nicht beipflichten, weil ich
durchaus nicht jeden Architekten, der Häuser baut eo ipso als
„Künstler" bewerten kann und anderseits diese Eigenschaft

einem „Gärtner" nicht eo ipso abspreche. Ich vermute, daß
B dnrobe aus: Hegi-Dun/anger, lllustr. Flora. v„,. r • j • -u • \- • , -, „

1 6 ° ' der Verfasser mir dann beistimmen wird, daß an dieser Stelle

seine Feder mit ihm durchgegangen ist und er allzu sehr pro
Materialismus und Geldprotzentums, des Scheinwesens und der domo gesprochen hat. Um das Gleichgewicht und die Ge-
Phrase. Je stärker dieses Unkraut wuchert, um so tiefer sinkt rcchtigkeit zu wahren, wird er mir die Behauptung nicht übel
das Niveau des allgemeinen Kunstsinnes. Es ist kein Wunder, deuten, daß es auch künstlerisch feinfühlige „Gärtner" geben
daß unter solchen Verhältnissen auch heute noch eine After- dürfte, in deren Gedankenkreis sich ein „Bauunternehmer"
kunft sich breit macht, deren Ausgeburten von Muthesius
in scharfer, beißender Kritik an den Pranger gestellt
werden. Haus- und Gartenzerrbilder werden grell genug
beleuchtet — man wagt es fast, sich der Hoffnung hin-
zugeben, daß die verstockten Ohren endlich hören und
die verblendeten Augen endlich sehen lernen — aber
immer noch läßt sich der größte Teil des Publikums aus
seiner überaus bedauerlichen Verblendung nicht auf-
rütteln und von gewissenlosen und geldmachenden
Gauklern beschwindeln. Das wird so lange dauern, bis
endlich wieder der Sinn für persönlich ausgestaltete
Häuslichkeit erwacht, bis endlich wieder die Seele des
deutschen Hauses ihr Selbstbewußtsein wieder gewinnt,
das beim Graben nach unedlen Schätzen verschüttet und
fast erstickt worden ist.

Es ist zunächst nur eine „kleine Gemeinde", die
Muthesius Hoffnung gibt auf den herannahenden Sieg
echter, gesunder Kunst.

In seinen weiteren Ausführungen entwickeltMuthesius
die Anforderungen, die er an ein gut, d. h. zweckmäßig
gebautes Landhaus stellt. Seine Auseinandersetzungen
sind mir insofern angenehm aufgefallen, als sie auf
außerordentlich feinsinniger Beobachtung eines persönlich
durchgebildeten, häuslich-harnionischen Familienlebens
beruhen. Indem Muthesius die einzelnen Räume des

Hauses zunächst einzeln aus ihrem Zweck heraus vor Kiefer in der Ebene,

uns erstehen läßt, indem er das Arbeitszimmer zu- Bildprobe aus: Hegi-Dunzinger, lllustr. Flora.
 
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