OLUF BRAREN/DER MALER VON FÖHR. 1787-1848
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VON WILHELM NIEMEYER
u Lebzeiten unbeachtet, nach dem Tode
vergessen, ein Einsamer in jedem Sinne,
dem engen Heimatraum seiner Nordsee-
inseln Föhr und Sylt nie entnommen,
doch durch demütige Sehnsucht nach Fernen des
Geistes über sich erhoben, fremd sich selbst, der
sich Künstler findet, da er Naturwissen suchte,
Maler ohne Ausbildung, der aus den Gesteinen
der Küste sich Farben bereitet, Gestalter ohne
Kunstzweck, den reines Anschauungsglück vom
lebendigen Menschentum seiner bäuerlichen Um-
welt zur ahnungsvoll erfühlten Griechenschönheit
fortführt — was könnte das verschollene Werk
dieses Unbekannten nach einem Jahrhundert uns
zu sagen haben?
Aber dieser Unbekannte ist der Vertreter eines
Volkstums, Bewahrer feinster Werte seines ge-
schichtlichen Seins5 dieser Lerner aus sich ist der
Erbe eines volksmäßigen Kunstgefühls von hoher
Eigenart; dieser Sucher ist geführt vom Schön-
heitswissen, das seine Blutsgenossen in stiller
Zucht aus sich reiften; dieser Einsame ist das
Werkzeug, das die Lebensform einer geschlosse-
nen Gemeinschaft, das die Sonderart seiner Insel
beim Verklingen sich schafft, um ihre geprägte
Wirklichkeit im Nachhall der Darstellung der Er-
innerung des Geistes zu übergeben.
Die helle Welt der Inseln Nordfrieslands! Weit
fern liegt die gründunkle Schwermut, die dumpf-
tiefe Brütekraft des deutschen Festlandes mit
seinen blätterlastenden Waldgebirgen, seinen
brachebraunen unendlichen Fruchtebenen. Sand-
weiß umgürtet mit den silbernen Kliffs von
Sylt, den fernblitzenden Dünen von List und
Hörnum, den schimmernden Hangküsten von
Amrum, hinausgebreitet in die harte Glätte der
blanken Wasser, in den Glanz der Lüfte ge-
schnitten mit den flachscharfen Landlinien ihrer
Felderbreiten und Küstenränder, baumarm, wiesen-
hell, Gesichte der Bläue und des Silbers, sind
diese Eilande ein Reich des großen Lichtes, klare
Tennen des Äthers, sonnenglitzernd ein Stück
Süden am Saum nordischer Erde.
In der Kette der Inseln ist Föhr die stillste
und innerste: eine breite Scholle diensthafter
Erde, in die Hut der vorgelagerten Nachbarinseln
geschmiegt, vom graueren Glanz des Wattenmeers
umschimmert, der milderen Art des Festlandes
genähert, marschgrün und heidesilbern, Kargheit
und Fruchtbarkeit gelassen in sich ausgleichend,
eine geschlossene Welt sich genügenden Lebens.
Aber immer reifte in der Ruhe dieses blickweiten
Insellandes Wuchs der Seele. Föhr ist die fromme
unter den Frieseninseln. Um die Turmkirchen
seiner gotischen Jahrhunderte, raumschwere, ge-
wölbehafte Backsteinhallen, kreisen als um immer
sichtbare Blickmaie im Sehring alle seine Baum-
dörfer und grannenlichten Felderflächen, alle seine
Kliffküsten und Heidehalden. Hügelsanft gehoben
krönt den ganzen Westen der Insel der Bau
St. Laurentii, luftgrau in die Meereshelle gezeich-
net, so klar und bestimmt fernherrschende Mitte
dieser einsamen Äcker im Meere, wie Sacre Coeur
überParisweitblickende Krone der grauen Dächer-
fluren der Weltstadt. Ein uralter Ruf des for-
menden Geistes an alle Nachgeborenen das ro-
manische Taufbecken der Johanniskirche: in breit-
umrissener Erhebung werden die Granitflächen
Bild vom Kampf des Menschen mit den Löwen
Sünde und Not und von. der Rettung durch den
Ritter Frommheit, der der Heiland ist, in der
Tracht des altgermanischen Schwertkämpfers.
Wieder erblüht im 17. und 18. Jahrhundert
der Insel ein geschlossen formhafter Daseinszu-
stand. Seefahrt macht aus der ganzen Männerwelt
der Insel eine Bruderschaft des Meereslebens.
Jagdzüge in die Walfischfluren Grönlands bringen
Wohlstand; sie nötigen zugleich zur geistigen
Beherrschung des gefahrvollen Schifferberufs. Die
Insel wird eine Hochschule der mathematischen
Einsichten und Künste, die der Seefahrer braucht.
Pfarrer, Lehrer und die seemüden Schiffsführet
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VON WILHELM NIEMEYER
u Lebzeiten unbeachtet, nach dem Tode
vergessen, ein Einsamer in jedem Sinne,
dem engen Heimatraum seiner Nordsee-
inseln Föhr und Sylt nie entnommen,
doch durch demütige Sehnsucht nach Fernen des
Geistes über sich erhoben, fremd sich selbst, der
sich Künstler findet, da er Naturwissen suchte,
Maler ohne Ausbildung, der aus den Gesteinen
der Küste sich Farben bereitet, Gestalter ohne
Kunstzweck, den reines Anschauungsglück vom
lebendigen Menschentum seiner bäuerlichen Um-
welt zur ahnungsvoll erfühlten Griechenschönheit
fortführt — was könnte das verschollene Werk
dieses Unbekannten nach einem Jahrhundert uns
zu sagen haben?
Aber dieser Unbekannte ist der Vertreter eines
Volkstums, Bewahrer feinster Werte seines ge-
schichtlichen Seins5 dieser Lerner aus sich ist der
Erbe eines volksmäßigen Kunstgefühls von hoher
Eigenart; dieser Sucher ist geführt vom Schön-
heitswissen, das seine Blutsgenossen in stiller
Zucht aus sich reiften; dieser Einsame ist das
Werkzeug, das die Lebensform einer geschlosse-
nen Gemeinschaft, das die Sonderart seiner Insel
beim Verklingen sich schafft, um ihre geprägte
Wirklichkeit im Nachhall der Darstellung der Er-
innerung des Geistes zu übergeben.
Die helle Welt der Inseln Nordfrieslands! Weit
fern liegt die gründunkle Schwermut, die dumpf-
tiefe Brütekraft des deutschen Festlandes mit
seinen blätterlastenden Waldgebirgen, seinen
brachebraunen unendlichen Fruchtebenen. Sand-
weiß umgürtet mit den silbernen Kliffs von
Sylt, den fernblitzenden Dünen von List und
Hörnum, den schimmernden Hangküsten von
Amrum, hinausgebreitet in die harte Glätte der
blanken Wasser, in den Glanz der Lüfte ge-
schnitten mit den flachscharfen Landlinien ihrer
Felderbreiten und Küstenränder, baumarm, wiesen-
hell, Gesichte der Bläue und des Silbers, sind
diese Eilande ein Reich des großen Lichtes, klare
Tennen des Äthers, sonnenglitzernd ein Stück
Süden am Saum nordischer Erde.
In der Kette der Inseln ist Föhr die stillste
und innerste: eine breite Scholle diensthafter
Erde, in die Hut der vorgelagerten Nachbarinseln
geschmiegt, vom graueren Glanz des Wattenmeers
umschimmert, der milderen Art des Festlandes
genähert, marschgrün und heidesilbern, Kargheit
und Fruchtbarkeit gelassen in sich ausgleichend,
eine geschlossene Welt sich genügenden Lebens.
Aber immer reifte in der Ruhe dieses blickweiten
Insellandes Wuchs der Seele. Föhr ist die fromme
unter den Frieseninseln. Um die Turmkirchen
seiner gotischen Jahrhunderte, raumschwere, ge-
wölbehafte Backsteinhallen, kreisen als um immer
sichtbare Blickmaie im Sehring alle seine Baum-
dörfer und grannenlichten Felderflächen, alle seine
Kliffküsten und Heidehalden. Hügelsanft gehoben
krönt den ganzen Westen der Insel der Bau
St. Laurentii, luftgrau in die Meereshelle gezeich-
net, so klar und bestimmt fernherrschende Mitte
dieser einsamen Äcker im Meere, wie Sacre Coeur
überParisweitblickende Krone der grauen Dächer-
fluren der Weltstadt. Ein uralter Ruf des for-
menden Geistes an alle Nachgeborenen das ro-
manische Taufbecken der Johanniskirche: in breit-
umrissener Erhebung werden die Granitflächen
Bild vom Kampf des Menschen mit den Löwen
Sünde und Not und von. der Rettung durch den
Ritter Frommheit, der der Heiland ist, in der
Tracht des altgermanischen Schwertkämpfers.
Wieder erblüht im 17. und 18. Jahrhundert
der Insel ein geschlossen formhafter Daseinszu-
stand. Seefahrt macht aus der ganzen Männerwelt
der Insel eine Bruderschaft des Meereslebens.
Jagdzüge in die Walfischfluren Grönlands bringen
Wohlstand; sie nötigen zugleich zur geistigen
Beherrschung des gefahrvollen Schifferberufs. Die
Insel wird eine Hochschule der mathematischen
Einsichten und Künste, die der Seefahrer braucht.
Pfarrer, Lehrer und die seemüden Schiffsführet